Wenn ich als Kind an Weihnachten ein Gedicht aufsagen oder auf der Blockflöte etwas vorspielen sollte, habe ich die Augen zugemacht und mir vorgestellt, dass niemand da ist, vor dem ich mich blamieren kann.
Das funktioniert vielleicht, wenn man ein Gedicht aufsagt oder etwas auf der Blockflöte vorspielt. Im wirklichen Leben hilft es nicht. Meine geschlossenen Augen oder der verschlossene Mund machen mich weder unsichtbar noch schützen sie mich vor den Blicken anderer. Und es verschwinden auch nicht Diskriminierung, Unterdrückung und Gewalt aus meiner Umgebung.
Ich habe heute in der Kunsthalle Bremen eine Ausstellung mit Holzschnitten von Ludwig Kirchner angesehen. Einen Raum hatte der Holzschneider und Künstler Thomas Kilpper gestaltet. Bei ihm wird der Fußboden wird zum riesigen, raumfüllenden Druckstock, der an Decke und Wänden sich fortsetzt.
Einer seiner Holzschnitte gibt die US-amerikanische Schriftstellerin Audre Lorde (1934-1992) wieder und zitiert sie mit dem Satz: „Your Silence will not protect you.“
In diesem Sinne noch friedliche Weihnachten und ein geräuschvolles neues Jahr.
