Dieser Service wird von einem externen Anbieter bereitgestellt. Wenn Sie diesen Dienst nutzen möchten, erklären Sie sich mit der Datenverarbeitung durch den Anbieter follow.it einverstanden.
Zur Datenschutzerklärung
Tatsächlich sind Wolken auf dem Zeichenpapier so wenig zu fassen, wie Hirngespinste, die sich wie ein Spinnennetz in meinem Kopf ausbreiten. Die Wolken führen unter meinen Händen ein Schauspiel auf, das ich nicht unter Kontrolle habe. Entweder sehe ich Wolken oder ich realisiere Bleistiftstriche auf dem Papier. Beides gleichzeitig gelingt mir nicht. Sobald ich meine Aufmerksamkeit den Linien und Schattierungen auf dem Papier schenke, verschwindet das Motiv — die Wolken — aus meiner Wahrnehmung. Und umgekehrt verschwinden die Linien und Schattierungen aus meiner Wahrnehmung, sobald es mir gelingt eine Wolke darin zu erkennen. Wie in einer Kippfigur erscheint das eine mal eine zufällige Ansammlung von Linien und Hell-Dunkel-Flächen, das andere mal Wolken, die vorbeiziehen und sich aufbauschen.
Das Zeichenmedium, der Grafit, ist offenbar nur dann in der Lage, sich als „Wolke“ zu erkennen zu geben, wenn er sich selbst hinter ihr verbirgt. Etwas, das verborgen ist und das man deswegen nicht sehen kann, bezeichnet man als blind. Daher gibt es „blind spots“, blinde Flecken, durch die etwas unserem Bewusstsein entzogen ist. Blinde Flecken verhalten sich wie Klippen unter einer Wasseroberfläche: Sie sind da, aber wir sehen sie nicht. Umgekehrt sehen wir Dinge, die es eigentlich nicht gibt. Wolken sind so etwas. Sie sind kein Gegenstand, sondern ein ständiges Werden und Vergehen. Wie der Qualm, der aus einer Zigarettenkippe aufsteigt: Wir sehen ihn, aber wir können ihn nicht dingfest machen.
Während ich Wolken mit dem Zeichenstift entstehen lasse, bewege ich mich so zwischen dem Bestimmten und dem Flüchtigen und damit in einem Paradoxon. Ich halte mich im Unbestimmten auf und versuche das Unbestimmte in etwas Bestimmtes zu überführen, das auf dem Zeichenpapier Gestalt gewinnt. Ich versuche, aus dem Flüchtigen etwas Bleibendes zu machen. Wenn mir das gelingt, ist das Bleibende etwas Flüchtiges.
Und genau in diesem Augenblick, in dem ich auf dem Papier Wolken realisiere, erfahre ich etwas darüber, wie blinde Flecken entstehen. Die Wahrnehmung wird an jene Stelle geführt, an denen Bedeutungen entstehen und gleichzeitig in Frage gestellt werden. Wenn ich sage: „Das ist eine Wolke“ verfehle ich das Ungefähre und Flüchtige, das sich in der Grafik in einer Ansammlung von Strichen und Schattierungen verwirklicht und das eine Wolke ausmacht. Ohne die Wolke aber mit einem Begriff zu bezeichnen, der das Unbestimmte in etwas Bestimmtes überführt, würde ich selbst im Nirgendwo, im Ungefähren und Flüchtigen untergehen.
Dieser Service wird von einem externen Anbieter bereitgestellt. Wenn Sie diesen Dienst nutzen möchten, erklären Sie sich mit der Datenverarbeitung durch den Anbieter follow.it einverstanden.
Zur Datenschutzerklärung