Textarchiv

06.03.2024

Vom Besteigen hoher Berge und dem Kiesel unter den Füßen.

ÜBERLEGUNGEN ZUR PRAXIS DER KÜNSTLERISCHEN THERAPIEN.
Vortrag auf dem Fachtag für Künstlerische Therapien Essen am 06.03.2024
Normalerweise werden unter Handlungen – verkürzt ausgedrückt – Tätigkeiten verstanden, die intentional und sinnvoll auf einen Gegenstand oder eine Sache ausgerichtet sind (vgl. z. B. Staub-Bernasconi, 2004). Etwas, das zufällig passiert, ist folglich nicht Teil einer Handlung. Um etwas Bestimmtes zu erreichen, müssen wir uns auf den Weg machen. Um zu wissen, welchen Weg wir einschlagen, müssen wir uns über das Ziel im Klaren sein. Um nach Essen zu dieser Fachtagung zu kommen, muss ich planmäßig vorgehen: Ich muss ein Hotelzimmer buchen, eine Zugverbindung raussuchen, pünktlich am Gleis stehen, im Hotel einchecken usw. usf. Ich habe ein Ziel und muss herausfinden, welcher Weg zum Ziel führt. Auf diese Weise bewegen wir uns meistens durch unseren Alltag.
26.06.2023

„Just a shadow on the wall“

oder

WARUM DER TITEL EINES BILDES NICHT DAS BILD UND
DIE DIAGNOSE EINER KRANKHEIT NICHT DIE KRANKHEIT IST.
Vorlesung an der MSH Medical School Hamburg am 26.06.2023
Unter der Forderung „Zu den Sachen selbst!“ hat Edmund Husserl vor mehr als 100 Jahren die phänomenologischen Grundlagen für eine erfahrungsgeleitete Wissenschaft gelegt, die im Folgenden auf künstlerische und therapeutische Fragestellungen bezogen werden sollen. Wenn unter einem Kunstwerk der Begriff „Untitled“ steht, heißt das soviel, dass es für sich selber spricht — oder, um es mit Frank Stella zu sagen: „What you see is what you see” (Glaser, 1995). Es steht nicht als Symbol oder Zeichen für etwas Anderes, sondern verweist lediglich auf sich selbst. Mit diesem Bildverständnis wurde kunstgeschichtlich spätestens in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts eine Zäsur vollzogen gegenüber einem bis dahin herrschenden Bildbegriff, der auf der ikonischen Differenz beruhte: Das Bild repräsentiert etwas, das von ihm verschieden ist — sei es eine Landschaft, ein Stilleben oder ein Portrait (Boehm 1994).
02.06.2022

Krankheiten, Bilder und Morbus Parkinson

EINE SKIZZE
Vortrag im Rahmen des virtuellen Netzwerktreffens des Parkinsonnetzes Bremen+ am 23. März 2022
Was haben Bilder oder gar therapeutische Angebote wie die Kunsttherapie, in der mit Bildern gearbeitet wird, mit einer Krankheit wie Morbus Parkinson zu tun? Einen Zusammenhang zwischen Parkinson und Musiktherapie kann man sich vorstellen – aber eine Verbindung zwischen Parkinson und Kunsttherapie, also Parkinson und bildender Kunst scheint nicht so offensichtlich zu sein.
21.11.2021

Singen und Sagen

WIE KOMMT DIE MUSIK IN DIE REDE UND WIE KOMMT DIE BEDEUTUNG IN DAS WORT?
Virtueller Vortrag auf dem 10. GRAZER MUSIK THERAPIE TAG 2021 – „Auf jetzt!“ – Die Kunst des Alten und die Kraft des Neuen in der Musiktherapie 19.–21.11.2021
Singen und Sagen sind zwei unterschiedliche Modi der Welterzeugung. Wenn wir miteinander sprechen, singen wir nicht – zumindest taucht das „Wie“ des Sprechens hinter dem „Was“ der Sprache unter. Wenn ich jetzt anfangen würde zu singen, würden Sie das nicht mit einem klassischen Vortragsformat in Zusammenhang bringen können. Und trotzdem intoniere ich meine Rede, sie hat Melos und Rhythmus und verfügt über eine Komposition.
18.10.2021

Wir brauchen unser Selbst nicht zu verwirklichen. Es ist immer schon da.

EIN KRITISCHER BLICK AUF SPIRITUELLE PRAKTIKEN IN KUNST UND THERAPIE
Vortrag auf der Tagung „Kunst, Gesundheit, Spiritualität – Eine Spurensuche“ vom 15.-17.10.2021 in der Evangelischen Akademie Tutzing in Kooperation mit der Internationalen Gesellschaft für Gesundheit und Spiritualität e.V. und STADTKULTUR Netzwerk Bayerischer Städte e.V.
Wenn wir von Selbstverwirklichung sprechen, stellt sich die Frage, was wir verwirklichen wollen und was unser Selbst ausmacht. Ist mein Selbst ein in mir ruhendes konsistentes System, das unabhängig von äußeren Einflüssen existiert, so dass meine Aufgabe darin besteht, es in Erscheinung zu bringen? Hat das Selbst bereits eine spirituelle Dimension, bevor es in Erscheinung getreten ist? [...]
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11.11.2020

Wie ist es eine Farbe zu sein?

KUNST ALS THERAPEUTISCHE PRAXIS
Virtueller Vortrag an der MSH Medical School Hamburg am 11.11.2020
Ich weiß nicht, ob Sie sich schon einmal gefragt haben, wie es ist eine Farbe zu sein. Eine Farbe ist schließlich kein Lebewesen, sondern ein physikalischer Zustand. Genauso gut könnte man sich fragen, wie es ist ein Tisch zu sein oder ein Hut oder eine Straßenlaterne. Bei genauem Hinsehen zeigt sich, dass das gar nicht so abwegig ist und dass es in unserer Kulturgeschichte eine Fülle anthropomorpher Vorstellungen und Darstellungen gibt, die Tieren, Naturgewalten, Gegenständen oder sogar Maschinen menschliche Eigenschaften zuschreiben. Wir haben beispielsweise kein Problem, einen abgestorbenen Baum, den Caspar David Friedrich in das Zentrum einer Landschaftsdarstellung rückt, als Metapher für menschliche Erfahrungen von Tod und Vergänglichkeit zu lesen. Und die Frontpartie eines Autos bringen wir, wenn wir sie sehen, unweigerlich mit der menschlichen Physiognomie in einen Zusammenhang. Was passiert, wenn wir das tun und was hat das mit Kunsttherapie zu tun? [...]
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31.10.2020

Alles voller Sprache

SCHREIBEN ALS VERSUCHSANORDNUNG
In: Kerstin Hof (Hrsg.) (2020): Dreierlei Mut. Hamburg, Potsdam, Berlin: HPB University Press.
Alles voller Sprache: auf Anzeigetafeln, in sozialen Netzwerken, in Briefen und E-Mails, in Zeitungen und Illustrierten, in Nachrichten und Eilmeldungen, in Konferenzen oder Meetings, in meinem Kopf oder auf der Speisekarte. Sprache ist allgegenwärtig. Ich informiere, ich plane, ich reflektiere, ich strukturiere und ordne, ich erfinde und erzähle, ich erinnere und identifiziere, ich definiere und bewerte, ich konstatiere und zweifele, ich liebe und hasse, ich nehme teil und weise zurück. Ich kann nicht ohne Sprache sein. Und doch bleibt Sprache allzu oft nur ein Versuch, mich in mein Sein zu stellen. Die Sprache muss es aushalten zwischen der Verfügbarkeit von Dingen und Sachen und der Unverfügbarkeit des Seins [...]
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07.09.2017

Die Bedeutung von Ästhetik und Kunst im therapeutischen Akt

Vortrag auf dem Symposium der Fachklinik Hohenegg / Schweiz “Psychotherapie als Heilungsritual – die gemeinsamen Wirkfaktoren” am 07.09.2017
In der Überschrift zu diesem Vortrag werden zwei therapieferne Begriffe in Zusammenhang mit therapeutischen Handlungen gebracht. Die Kunst und die Ästhetik. Kunst ist eine besondere Form individueller und auch sozialer Praxis, die sich innerhalb bestimmter Spielräume vollzieht. Innerhalb dieser Spielräume können Geschichten erfunden, Bilder erzeugt, Dramen oder Komödien inszeniert werden, die auf eine besondere Weise mit unserer Wirklichkeit verbunden sind. Hier kann gehasst, geliebt, gelebt und gestorben werden, ohne dass es unmittelbare gesundheitliche, soziale oder gar strafrechtliche Folgen hat. Wir befinden uns in einem besonderen System mit eigenen Regeln, dem Kunstsystem [...]
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25.01.2017

Mensch und Bild

ANTHROPOLOGISCHE UND ÄSTHETISCHE ASPEKTE DER THERAPEUTISCHEN BEZIEHUNG
Vortrag auf dem Symposium “Die Bedeutung des Menschenbildes für die Behandlung psychischer Erkrankungen” in Wiesbaden am 25.01.2017
Elisabeth Wellendorf, eine der PionierInnen der Kunsttherapie, hat die Therapie mit einer schwankenden Brücke verglichen. Sie versteht Therapie als Resonanzraum, in dem es darauf ankommt vermeintliche Sicherheiten aufzugeben und sich auf das Abenteuer der Begegnung einzulassen. Mich erfasst, wenn ich Bilder von Brücken sehe, die sich über einen Abgrund spannen, auf der einen Seite unglaublicher Schwindel, aber auch eine Faszination für das, was sich aus einer solchen Perspektive in Erfahrung bringen lässt. Auf so einer schwankenden Brücke gehört die Aufmerksamkeit ganz dem Augenblick und der Sogwirkung des überspannten Abgrundes. Und natürlich gibt es Sicherheiten: Diejenigen die hier über die Brücke gehen, tun das erstens auf eigenen Entschluss und zweitens müssen sie angeseilt sein [...]
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23.06.2016

„Not sure“

THE DIDACTICS OF ELUSIVE KNOWLEDGE
Vortrag an der European Graduate School, Saas Fee (Schweiz) June/ 23/ 2016
Knowledge is often tied to our ideas about the standards that it has to comply with: it has to be correct to be seen to be valid, it has to be universal and therefore capable of being reproduced, and it needs to go beyond the individual case in order to be objective. But what about the kind of knowledge that cannot readily be retrieved, as it is closely linked to our experience; that which is locked within our individual consciousness? What about the knowledge, which we can gain no certainty about as it is not easily reproducible or quantifiable, such as the beauty of a sound, the irresistibility of a situation, the gripping nature of a scene, or the intensity of a moment? The following article draws an outline of a “didactic of elusive knowledge“ that relies on references to visual culture and aesthetics. It is derived from the practice of teaching art therapy and from a non-representative survey among students of the course Expressive Arts in Social Transformation at MSH Medical School Hamburg in Germany.
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27.02.2013

Art Therapy in Prisons

Vortrag auf der International Conference “Mental Health and Addictions in Prisons” am 27. Februar 2013 in Bucharest.

The jail is looking at me like from a mirror; my mouth is closed like the door that keeps me from hate in the morning, from my own and from the hate of those, who have imprisoned me. I wish I could lose my mind so as not to understand the senselessness of my punishment.

These are the words of an inmate from a prison in Germany. They were recently published in a book of stories and poems by prisoners […]

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30.07.2012

Happiness

DOES ART MAKE YOU HAPPY?
Vortrag an der European Graduate School, Saas Fee (Schweiz) July/ 30/ 2012

The German term for happiness is “Glück”. “Glück” does not only mean happiness, but also luck. Indeed, the difference of both meanings is fundamental: Luck is something that happens to me while happiness is an individual feeling. I will move between both meanings in order to explore the moment, when luck and happiness come together […]

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18.01.2011

Das Dritte in der therapeutischen Beziehung

BEZUGSPUNKTE PHÄNOMENOLOGISCHER FORSCHUNG IN DEN KÜNSTLERISCHEN THERAPIEN
In: Petersen, Peter et. al.: Forschungsmethoden Künstlersicher Therapien. Wiesbaden: Reichert Verlag. 129-142
In der Erforschung der wirksamen Momente der therapeutischen Beziehung ist in den letzten Jahren die Intersubjektivität mehr und mehr in den Blick geraten und damit das so genannte Dritte als unmittelbares Ereignis in der Beziehung zwischen Therapeut und Patient. Dieses Dritte ist in mancher Hinsicht vergleichbar mit dem ästhetischen Dritten in der Kunsttherapie.
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15.07.2006

Der Durchschnitt und der Einzelfall

KUNSTTHERAPEUTISCHE DOKUMENTATION ZWISCHEN STATISTIK UND POESIE
Aus: Sinapius, P. Ganß, M. (2007) Grundlagen, Modelle und Beispiele kunsttherapeutischer Dokumentation. Frankfurt am Main: Verlag Peter Lang

Mit einem Dokument halte ich etwas fest, was sonst unwiderruflich verloren wäre. Es gilt als Urkunde oder Beweis für einen Sachverhalt, für den es Zeugnis ablegt. Für ein solches Dokument müssen Regeln gelten, die ihm die entsprechende Überzeugungskraft verleihen. Ein Dokument kann ein Insignum der Macht sein und Kraft eines Amtes einen Umstand mit Brief und Siegel für gültig und rechtens erklären. Es kann ein Fundstück sein, das wir in einen gegebenen Kontext einordnen können. Ein Dokument kann ein Bericht sein, sofern er nachvollziehbar ist, d.h. an unsere Erfahrungen anschließt und die Informationen enthält, die ihn in einen gegebenen Zusammenhang bringen.

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