„Angst essen Seele auf!“

Friedrich Merz hat seine Aussage zum Stadtbild präzisiert: „Das Problem gibt es spätestens mit Einbruch der Dunkelheit“. Das kann man auch „Aufmerksamkeitsökonomie“ nennen: ein Spiel mit den Ängsten.

Klar! Meine Frau geht nach Einbruch der Dunkelheit auch nicht mehr auf den Dachboden, auch wenn da niemand ist. Sie hat einfach Angst vor der Dunkelheit.

Stellen Sie sich eine Szene aus einem alten Hitchcock-Film vor. Da passiert immer was Fürchterliches, wenn man nichts sieht. Und wenn man wieder was sieht, dann ist es schon passiert. Deswegen schlief Hitchcock immer bei eingeschaltetem Licht. Er hatte fürchterliche Angst vor der Dunkelheit. Aber nicht, weil die Dunkelheit per se gefährlich wäre, sondern weil er vor ihr Angst hatte.

Bei Fledermäusen ist das anders. Die haben keinen Bammel, wenn’s dunkel ist. Bevor etwas Schreckliches passiert, schalten die ihr Radar ein. Sie versuchen gar nicht erst, mit ihren Augen etwas zu sehen, wenn es dunkel ist. Weil man dann sowieso nichts sehen kann. Bevor sie allerdings vor­ irgendeinen Baum oder eine Mauer knallen, senden sie Schallwellen aus und orientieren sich an dem Echo, das sie zurückwerfen.

Wer aber keine Fledermaus ist, der merkt in der Dunkelheit erst etwas von seiner Umgebung, wenn er sich den Kopf eingeschlagen hat. Deswegen denken die meisten Leute, dass es dunkel gewesen sein muss, wenn etwas Schreckliches passiert ist.

Und genau auf diese Ängste zielt die Rhetorik von Friedrich Merz. Klar: Ich habe auch Angst, wenn ich nichts mehr sehe und mich nicht orientieren kann. Erst recht, wenn ich vorher einen Hitchcock gesehen habe. Oder ein Interview mit Friedrich Merz.

Aber ich weiß, dass ich es bin, der Angst hat.

„Angst essen Seele auf“ war übrigens ein Film von Rainer Werner Fassbinder, der die soziale Unterdrückung und Ausgrenzung von „Gastarbeitern“ in den frühen 1970er Jahren thematisiert hat.

Ich mach jetzt das Licht aus und guck ihn mir an.

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