Wenn ich hier den Sinn von Kriegen in Frage stelle, frage ich nicht nach ihrer Bedeutung und ihrem strategischen Nutzen, sondern danach, wie wir miteinander leben wollen.
Warum mir das wichtig ist?
Weil es einen Unterschied macht, ob wir nur nach dem Gehalt oder Zweck einer Handlung fragen oder nach ihrem intrinsischen Wert.
Ich möchte die unterschiedlichen Dimensionen von Sinn, mit denen wir unsere Handlungen ausstatten können, an einem einfachen Beispiel illustrieren. Als ich vor etlichen Jahren mit einem an Leukämie erkrankten Kind zusammenarbeitete, schrieb es mir einen Brief, um mir mitzuteilen, dass ich mich im Datum geirrt hatte (siehe Abbildung).
Der Brief hatte folgende Sinnebenen:
1. Der logisch-semantische Sinn: „Der erste Advent ist erst am 3. (Dezember)“.
2. Funktionaler Sinn: „Da nächstes Wochenende nicht der 1. Advent ist, können wir uns wiedersehen!“
3. Metaphysischer Sinn: „Ich vermisse dich sehr!“ oder anders ausgedrückt: „Ich erlebe das Zusammensein mit Dir als sinn- oder wertvoll“.
Wenn ich den Sinn von Kriegen in Frage stelle, beziehe ich mich auf die letzte, die metaphysische Dimension von Sinn. Das individuelle oder kollektive Leben wird als eingeordnet gedacht, geglaubt oder erfahren in Lebenszusammenhänge bzw. in ein größeres Ganzes, von dem her es seinen Wert und damit auch seinen Sinn erhält.
Wenn ich schreibe, der Krieg in Gaza macht keinen Sinn und jemand antwortet mir: „Die Hamas hat ihn aber angefangen!“, so reduziert er den Sinn auf seinen strategischen oder funktionalen Aspekt. Genau das macht auch die israelische Regierung. Sie hat weder einen Plan noch eine Vision, die darüber hinausgehen und alle Beteiligten einbeziehen.
Darin aber, behaupte ich, darf sich der Sinn von territorialen Konflikten nicht erschöpfen. Ihren Sinn finden Konflikte nur in der Vision von einer Welt, in der alle Menschen — Palästinenser und Israelis — friedlich zusammenleben können.
Alles andere ist pure Machtausübung.
Sinn ist nicht das Gegebene, sondern das, was wir daraus machen.
