Momentmal: „Deutschland den Deutschen – Ausländer raus“? Auf Sylt? Wo nach dem Krieg ein Generalleutnant der Polizei und Waffen-SS zum Bürgermeister gemacht wurde, der während des Warschauer Aufstands 1944 ein Massaker an Zivilisten zu verantworten hatte? Der den Befehl hatte, alle Menschen in Warschau ermorden zu lassen, die nicht deutsch waren? Wie zynisch ist das denn!
Vielleicht hatten diejenigen, die auf der Terrasse der Pony-Bar rassistische Parolen gegrölt haben, davon keine Ahnung. Das macht es aber nicht besser. Es zeigt nur, dass sich die Spur von rassistischem Gedankengut bis in die Gegenwart zieht.
Auf Sylt war der erste Bürgermeister nach dem Ende des Krieges Heinz Reinefarth, der als „Henker von Warschau“ bekannt war, dafür aber nie belangt wurde. Die ZEIT vom 30. September 2011 hat seine Geschichte so erzählt:
„Reinefarth hatte vor 1945 eine steile Karriere gemacht – bis zum Generalleutnant der Polizei und Waffen-SS unter Heinrich Himmler. Der schätzte Reinefarth als besonders durchsetzungsstark ein und kommandierte ihn im Sommer 1944 nach Warschau ab. Mit seinen SS-Truppen sollte Reinefarth den Warschauer Aufstand niederkämpfen. Am 1. August hatte sich dort die nationalpolnische Heimatarmee (Armia Krajowa) gegen die deutschen Besatzer erhoben. Diese waren waffenmäßig stark überlegen – und schlugen den Aufstand brutal nieder. Zur Strafe richteten sie wahllos Zivilisten hin. Allein unter dem Kommando von Reinefarth wurden so 15.000 Menschen getötet. Er ließ sogar Krankenhäuser stürmen und Patienten, Frauen und Kinder erschießen.
[…]
Vergeblich versuchte die Warschauer Staatsanwaltschaft Reinefarth nach Ende des Krieges ausliefern zu lassen. Ein entsprechendes Ersuchen lehnte die britische Besatzungsbehörde ab. «Aus Gründen der Sicherheit», wie es in einem Antwortschreiben heißt. Es gibt einige bislang unbestätigte Hinweise dafür, dass Reinefahrt in dieser Zeit mit dem britischen Geheimdienst zusammengearbeitet hat. Jedenfalls bewahrte ihn der Kalte Krieg vor rechtlichen Konsequenzen. In der DDR bestätigte der Fall Reinefarth unterdessen die These von den braunen Eliten, die nun in der Bundesrepublik weiter an der Macht sind.
[…]
Der Berliner Historiker Andreas Mix hat sich mit dem Fall Reinefarth im Auftrag der Deutschen Hochschule der Polizei beschäftigt, die jüngst in einer Ausstellung im Deutschen Historischen Museum die Rolle der Polizei im NS-Staat dokumentiert hat. «Das erste Ermittlungsverfahren wurde bereits nach wenigen Wochen eingestellt, ohne dass Anklage erhoben wurde. Und das drei Tage nachdem Reinefarth zum Landtagsabgeordneten gewählt wurde.»
Für Ernst-Wilhelm Stojan war das ein Skandal.
[…]
Immer noch ist es ihm ein Anliegen über Reinefarth zu sprechen. «Aber damit kommen sie hier nicht an. Das ist doch unerträglich!»“