Blog

Peter Sinapius

Diversität ist keine politische Meinung

Das ist in der medialen Berichterstattung nahezu untergegangen: Der amerikanische Gesundheitsminister Robert F. Kennedy hatte in einer öffentlichen Kabinettssitzung Anfang April eine „gewaltige“ Forschungsinitiative angekündigt, um die Ursachen für die steigenden Autismus-Diagnosen zu ermitteln, die er zuvor zu einer Autismus-Epidemie erklärt hatte. Dabei knüpfte er an eine der prominentesten Fake-Studien der Medizingeschichte an, in der der britische Arzt Wakefield 1998 behauptete, dass es einen Zusammenhang zwischen der Impfung gegen Masern, Mumps und Röteln und Autismus gäbe. Die Studie musste 2010 vollumfänglich zurückgezogen werden und Wakefield verlor seine Zulassung als Arzt.

Ungeachtet dessen vermutet Trump die Ursache von Autismus genau da: „Vielleicht liegt es am Essen oder vielleicht ist es eine Spritze.“ Und Robert F. Kennedy erklärt, wo seiner Meinung nach das Problem liegt: „Diese Kinder [mit Autismus] werden niemals Steuern zahlen, niemals einen Job haben, sie werden niemals Baseball spielen, nie ein Gedicht schreiben, nie auf ein Date gehen, viele werden ohne Hilfe nie auf eine Toilette gehen können…“

Das ist nichts Anderes als Diskriminierung. Was krank und was gesund ist, soll jetzt offenbar von der US-Regierung festgelegt werden. Und als „krank“ gilt, wer nicht in ihre Vorstellung von einem „lebenswerten“ Leben passt. Das widerspricht diametral der UN-Behindertenrechtskonvention, die 2006 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedet wurde und 2008 in Kraft trat.

„Behinderte“, wie Menschen mit Autismus, werden darin nicht als „krank“ eingestuft, sondern als gleichberechtigte Menschen, die durch die strukturellen Bedingungen ihrer Lebensumgebung behindert werden.

Artikel 3 der Konvention legt u.a. fest:
a) die Achtung der dem Menschen innewohnenden Würde, seiner individuellen Autonomie, einschließlich der Freiheit, eigene Entscheidungen zu treffen, sowie seiner Unabhängigkeit;
b) die Nichtdiskriminierung;
c) die volle und wirksame Teilhabe an der Gesellschaft und die Einbeziehung in die Gesellschaft;
d) die Achtung vor der Unterschiedlichkeit von Menschen mit Behinderungen und ihre Akzeptanz als Teil der menschlichen Vielfalt;
e) die Chancengleichheit;
f) die Zugänglichkeit

Verschiedenheit, also Diversität, ist eben keine politische Überzeugung, sondern eine Grundbedingung menschlichen Daseins. Stephen Hinkle, der selbst Autist ist und an der Chapman University promoviert, hat deswegen vor einigen Tagen in einem offenen Brief an Robert F. Kennedy Jr. formuliert:

„I strongly urge you and the Trump administration to treat persons with disabilities in society with dignity, accept that each as their own unique identity.“

Der ganze Brief zu Nachlesen: hier

Dieser Service wird von einem externen Anbieter bereitgestellt. Wenn Sie diesen Dienst nutzen möchten, erklären Sie sich mit der Datenverarbeitung durch den Anbieter follow.it einverstanden.
Zur Datenschutzerklärung