Niemand wollte es gewesen sein. Es hatten ja alle nur ihre Pflicht getan.
Heute sind sie wieder da und relativieren die dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte: „Die deutsche Geschichte ist in ihrer Gänze zu würdigen … Ein Volk ohne Nationalbewusstsein kann auf die Dauer nicht bestehen“, heißt es im Programm der AfD. Und dafür braucht es eine Armee, in der ein „starker Korpsgeist, ihre Traditionen und deutsche Werte“ herrschen sollen, einschließlich soldatischer Tugenden wie „Ehre, Treue, Kameradschaft und Tapferkeit“.
Sie sind wieder da! Sie waren nach dem Krieg untergetaucht hinter einem Vorhang des kollektiven Schweigens. Und die neuen Uniformen sind die alten: Ehre, Treue, Kameradschaft und Tapferkeit.
Ich weiß nicht, was mein Vater als Offizier in Italien gemacht hat. Er hat nie darüber gesprochen. Nach seinem Tod habe ich sein Tagebuch gefunden. Darin schreibt er nichts über das eigentliche Kriegsgeschehen, sondern nur etwas über Pflichterfüllung und soldatische Ehre. Und die Pflichterfüllung und soldatische Ehre entbanden ihn offenbar von seiner persönlichen Verantwortung. Das sahen nach dem Krieg auch viele Gerichte so: Es hatten ja alle nur ihre Pflicht getan!
Was war passiert?
Nachdem Italien 1943 das Bündnis mit Deutschland aufgekündigt hatte, hatten die deutschen Truppen Nord- und Mittelitalien besetzt und mit der Bekämpfung der Partisan*innen begonnen. Der Krieg gegen die Partisan*innen war immer weiter eskaliert und mündete im Juni 1944 in den Befehl des Oberkommandierenden Albert Kesselring:
„Wo Banden in größerer Zahl auftreten, ist der in diesem Bezirk wohnende, jeweils zu bestimmende Prozentsatz der männlichen Bevölkerung festzunehmen und bei vorkommenden Gewalttätigkeiten zu erschießen. Dies ist den Einwohnern bekanntzugeben. Werden Soldaten usw. aus der Ortschaft beschossen, so ist die Ortschaft niederzubrennen. Täter oder Rädelsführer sind öffentlich aufzuhängen“.
Die Deutschen hinterließen eine Spur der Barbarei und Verwüstung. In der Zeit der deutschen Besatzung von 1943 bis 1945 wurden etwa 40.000 Partisan*innen sowie 10.000 Zivilist*innen umgebracht und unzählige Orte zerstört und dem Erdboden gleichgemacht.
Niemand wollte es gewesen sein und wer es gewesen war, der sprach nicht darüber. Die Verbrechen blieben ungesühnt. Exemplarisch dafür war die Weigerung der deutschen Gerichte, zehn Angehörige der 16. Panzergrenadier-Division »Reichsführer SS« an Italien auszuliefern, die 2005 von einem italienischen Gericht zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt worden waren. Sie waren am 12. August 1944 im Zuge der Partisanenbekämpfung an der Ermordung von 560 Einwohner*innen des norditalienischen Dorfes Sant’Anna di Stazzema beteiligt, darunter Frauen, Alte und Kinder.
Wie heißt es bei Paul Celan?: „Der Tod ist ein Meister aus Deutschland“.