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Peter Sinapius

Heute vor 86 Jahren: “Reichspogromnacht”

Nicht hinsehen oder die Augen vor dem Grauen verschließen, weil man es nicht erträgt, ist eine menschliche Praxis. Nicht hinsehen und die Augen nicht verschließen, macht den anderen als soziales Subjekt unsichtbar. Und das ist in der eigentlichen Bedeutung des Wortes Diskriminierung.

Der Ausschluss von Jüdinnen und Juden aus der Gesellschaft vollzog sich unter den Augen der Öffentlichkeit. Jeder konnte sehen, wie Jüdinnen und Juden gedemütigt, entrechtet und ihrer Lebensgrundlage beraubt wurden.

Jeder konnte die Schilder mit der Aufschrift »Kauft nicht bei Juden« sehen, die nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten vor zahlreichen Geschäften für jeden sichtbar angebracht worden waren.

Was jeder bemerken konnte, war die massenhafte Entlassung von jüdischen und politisch »auffälligen« Beschäftigten aus dem Öffentlichen Dienst, die mit dem »Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums« vom 7. April 1933 begonnen hatte.

Was jedem auffallen konnte, war, dass ab 1934 jüdische Schülerinnen von den übrigen Schülerinnen getrennt in gesonderten Schulen unterrichtet wurden.

Was jeder hätte wissen können, war, dass 1935 der jüdischen Bevölkerung mit dem Nürnberger »Reichsbürger- und Blutschutz-Gesetz« die staatsbürgerlichen Rechte entzogen und Eheschließungen von Jüdinnen und Juden mit sogenannten »Ariern« unter Strafe gestellt wurden.

Vielleicht wussten nicht alle, dass im Zuge der »Arisierung« jüdischen Besitzes das Vermögen von Jüdinnen und Juden vom Staat eingezogen wurde.

Unübersehbar aber war, dass vom 9. auf den 10. November 1938 in der Nacht, die wegen der zerbrochenen Fensterscheiben »Reichskristallnacht« genannt wurde, jüdische Geschäfte verwüstet, Synagogen niedergebrannt und geschändet wurden.

Und dann galt mit Beginn des Krieges für Jüdinnen und Juden eine abendliche Ausgangssperre, die im Winter um 20 Uhr, im Sommer um 21 Uhr in Kraft trat.

Dass ab 1. September 1941 alle Jüdinnen und Juden verpflichtet wurden, in der Öffentlichkeit einen gelben Stern auf ihrer Kleidung zu tragen und ihren Vornamen mit Sara oder Israel anzugeben, das war nicht zu übersehen.

Dass man sie im Konzentrationslager ermordete, davon wollte niemand etwas gewusst haben. Wer kannte schon eine Jüdin oder einen Juden?

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