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Peter Sinapius

Kopf oder Bauch?

2 Meldungen gestern, die ich ganz unterschiedlich aufgenommen habe:

Die 1. Meldung:
Sachsens Innenminister Schuster fordert im Einklang mit Friedrich Merz „dringend einen Asylzugangsstopp, und zwar radikal“ inklusive „strengere Grenzkontrollen, Abschiebungen nach Afghanistan, den Aufbau von Bundesausreisezentren“ und eine „Abschiebeoffensive für Mehrfach- und Intensivstraftäter, die sofort beginnt“. Vordergründiger Anlass ist der Tod eines 20-Jährigen in Bad Oeynhausen, der mutmaßlich von einem 18-jährigen Syrer angegriffen wurde.

Die 2. Meldung:
Laut einer OECD-Studie liegt Deutschland bei der Integration von Eingewanderten und deren Nachkommen im internationalen Vergleich vorn. Die Sprachförderung sei besser als in anderen EU-Ländern und die Erwerbstätigenquote von Migranten sei 2022 auf einem Rekordwert von 70 Prozent gestiegen.

Die 1. Meldung löst in mir Wut und Ärger aus, der 2. Meldung und ihrer differenzierten Analyse folge ich mit Interesse. Das eine mal reagiere ich „bauchgesteuert“, das andere mal „kopfgesteuert“.

Die 1. Meldung macht mich wütend, weil ein Tötungsdelikt eines Ausländers zum Anlass genommen wird, eine Generaldebatte über „Ausländerkriminalität“ zu eröffnen und sie mit der Forderung nach einem Asylzugangsstop zu verkoppeln. Das ist reiner Populismus und Wasser auf die Mühlen von rechtsextremen Ideologen.

Die 2. Meldung beruht auf einer statistischen Erhebung und überrascht mich: Ich hatte angesichts der öffentlichen Debatte nicht erwartet, dass die objektiven Daten auch Hoffnung machen. Ich empfinde sie als Appell, Herausforderungen zu lösen.

Was also nun: Kopf oder Bauch?

Ich vermute, dass es auf das Verhältnis von „Kopf“ und „Bauch“ ankommt. Aussagen, die aus dem „Bauch“ getroffen werden und mit dem Anspruch formuliert werden, endlich das “Richtige” zu tun, sind geeignet, zu manipulieren. Aussagen, die auf einer Sachlage beruhen, versetzen mich in die Lage auf meine Überzeugungen kritisch zu reflektieren.

Es ist offenbar nicht nur wichtig, dass wir unseren Kopf auf unseren Schultern tragen, sondern auch wie er zu dem, was sich darunter abspielt, in Beziehung steht.

Eine ziemlich überspitzte Metapher dafür ist die Legende von dem Missionar Dionysius, der nach seiner Hinrichtung seinen Kopf in seine Hände genommen hat und bis zu der Stelle gegangen ist, wo er begraben werden wollte.

Von der amerikanischen Schriftstellerin Helen Keller stammt der Satz, der dem Kopf eine Rolle zuweist, bevor es einem so ergeht wie Dionysius:

„Never bend your head. Always hold it high. Look the world straight in the face.”

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