Sascha Lobo hat 2017 einen bemerkenswerten Aufsatz im „Spiegel“ veröffentlicht — und ich denke mir: Das ist doch 7 Jahre her! Und dann sehe ich den aktuellen Internetauftritt von Tino Chrupalla vor mir, der sagt, die AfD sei eine Partei des Grundgesetzes.
Sascha Lobo vor 7 Jahren:
„Wer meint, die AfD sei wählbar, weil sie die Flüchtlingspolitik der Regierung kritisiert, muss den Auftritt Björn Höckes in Dresden sehen. Danach kann keiner mehr sagen, er habe nicht gewusst, was Höcke mit der AfD vorhat.
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Schauen Sie diese Rede, damit Sie es nicht bloß hätten wissen können, sondern auch wissen. Denn es liegt alles offen da, im Allarchiv des Internet.
„Ich weise euch einen langen und entbehrungsreichen Weg, ich weise dieser Partei einen langen und entbehrungsreichen Weg, aber es ist der einzige Weg, der zu einem vollständigen Sieg führt, und dieses Land braucht einen vollständigen Sieg der AfD.“ Höcke möchte also einen vollständigen Sieg der AfD, der Saal voller „Patrioten“ kocht. Wenn ein Geschichtslehrer vom „vollständigen Sieg“ spricht, dann lässt sich ahnen, woher er seine Inspiration bezieht. Das ist kein Zufall mehr.
[…]
Ein gutmütiges Volk, durch Heimtücke betrogen, bekannte Begriffe. Mit dieser Analyse von Höcke geht ein Ziel einher, ganz offen kommuniziert: „Wir werden uns unser Deutschland Stück für Stück zurückholen.“ Die Ankündigung, das Land zu verändern also, und zwar „zurück“. Höcke lässt kaum Zweifel daran, welches „zurück“ er genau meint.
Denn für ihn steht fest: „Bis jetzt ist unsere Geistesverfassung und Gemütszustand immer noch der eines total besiegten Volkes.“ Er spielt damit natürlich auf den Zweiten Weltkrieg an. Aber auch – auf die Zeit danach: „Man wollte unsere Wurzeln roden. Und zusammen mit der dann nach 1945 begonnenen systematischen Umerziehung hat man das dann auch fast geschafft.“ Unter „systematische Umerziehung“ muss hier die „Entnazifizierung“ verstanden werden, die Höcke nicht bloß kritisiert. Er möchte sie umkehren — und zwar besonders das Gedenken an den Holocaust: „Wir Deutschen, also unser Volk, sind das einzige Volk der Welt, das sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt gepflanzt hat.“
[…]
Aber Höcke hat einen Plan, und er liegt offen vor Ihnen, schauen Sie ihn sich an. „Liebe Freunde, wir müssen nichts weniger als Geschichte schreiben.“ Die Kraut-Crowd brüllt: „Deutschland! Deutschland! Höcke! Höcke!“ Der fährt fort: „Wir können Geschichte schreiben. Tun wir es.“ Diese Geschichte aber ist schon einmal geschrieben worden. Und wer dafür plädiert, sie zu tilgen, zu verklären, umzukehren – der plant vermutlich einen neuen Anlauf. Man hätte es wissen können, diesmal mit nur einem Klick, Internet sei Dank. Oder nein – man hätte es wissen müssen.“
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