Demokratie ist kein Zuschauersport, hat Robert Habeck gesagt.
Zuschauer bin ich, wenn ich anderen dabei zusehe, wie sie sich unterhalten. Im Wahlkampf heißt eine solche Unterhaltung mitunter Duell. Und ein Duell ist ursprünglich ein Zweikampf mit gleichen, potenziell tödlichen Waffen. Der Zuschauer steht sozusagen am Rand, schlägt sich auf die eine oder andere Seite und sieht zu, wie einer verliert und der andere gewinnt. Er spielt aber selbst nicht mit.
Wenn ich nicht nur zuschaue, sondern selbst einen Standpunkt vertrete, bringe ich mich ins Spiel. Ich versuche mich in ein Verhältnis zu bringen zu dem, was andere sagen. Ich versuche, andere zu verstehen und ich hoffe, von anderen verstanden zu werden. Bestenfalls gibt es dann eine Verständigung.
Das ist dann so etwas wie Demokratie.
Das Gegenteil passiert aber im Augenblick in weiten Teilen des politischen Diskurses. Es werden keine Standpunkte vertreten, sondern es wird behauptet, man vertrete ja nur das, was die Mehrheit denkt. Und das ist das Volk und für dessen Sprachrohr hält sich bekanntermaßen die AfD. Der Zuschauer, also das „Volk“, wird gewissermaßen mißbraucht, um hinter ihm mit dem eigenen Standpunkt in Deckung zu gehen.
Kevin Kühnert hat diesen Debattenstil in seiner bemerkenswerten Rede im Bundestag in dem Satz zusammengefasst: „Die Opportunität sticht die Integrität“. Integrität meint nichts anderes, als die Übereinstimmung des persönlichen Wertesystems und der persönlichen Ideale mit dem eigenen Reden und Handeln. Demgegenüber zeichnet sich Opportunität durch willfährige, zweckmäßige Anpassung an eine gegebene Situation aus, bei der Nützlichkeitserwägungen wichtiger sind als wertorientierte Überzeugungen.
Kevin Kühnert richtete sich schließlich an Friedrich Merz und hielt ihm vor, „dem Volk“ nach dem Mund zu reden und dabei der AfD auf den Leim zu gehen: „Ein Bundeskanzler, dessen Mund bloß wiedergibt, was sein Ohr zuvor gehört hat, ist nicht mehr als eine Echokammer auf zwei Beinen.“
Ich glaube, das stimmt. Ich glaube aber auch, dass Merz nicht den sog. „Volkswillen“, sondern nur sein eigenes Echo wiedergibt.
Mich hat er jedenfalls nicht gefragt.