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Peter Sinapius

“Pussy hat”

SIEHT BEKLOPPT AUS, HAT ABER EIN ZEICHEN GESETZT

Ich habe lange gezögert, mich hier als „woke“ zu outen, weil „woke“ zum Schimpfwort verkommen ist. Jetzt mache ich es, weil es höchste Zeit ist – mit „Pussy hat“.

Dabei stand „woke“ ursprünglich für nichts anderes, als das, was „woke“ bedeutet: aufgewacht. Es war Ausdruck des Bewusstseins für mangelnde soziale Gerechtigkeit und Rassismus der afroamerikanischen Bewegung ab den 1930er Jahren. 2014 hatte die Black Lives Matter Bewegung in den USA den Begriff „woke“ wieder aufgegriffen.

Mit den „Pussy hats“ waren schließlich 2017 Tausende durch die amerikanischen Straßen gezogen gegen Trump, der mit seinen Hasstiraden gegen Minderheiten zu einem Symbol für Sexismus und Rassismus geworden war.

Die Katzenohrenmütze hatte mir eine Bekannte geschenkt, nachdem ich meine Sympathie für diese Bewegung ausgedrückt hatte. Angesichts der nicht enden wollenden Kampagne gegen „Wokeness“ und „Cancel-Culture“ finde ich, dass ich so etwas wie diese Mütze wieder tragen kann.

Der Begriff „Wokeness“ ist inzwischen zum Schimpfwort der Rechten avanciert. Es wird behauptet in Deutschland herrsche eine „woke Meinungsdiktatur“. An jeder Ecke stehen die Apologeten einer „linken Minderheit“, die die „Mainstreammedien“ gekapert haben und diejenigen tyrannisieren, die rassistische oder sexistische Bemerkungen von sich geben oder sich weigern ihr Gendersternchen an der richtigen Stelle zu machen.

Stimmt nicht? Jede*r kann ausprobieren, was passiert, wenn sie/er von „Kopftuchmädchen“, „kleinen Paschas“ oder der „neuen Männlichkeit“ spricht oder davon, daß es „weniger Frauen unter Nobelpreisträger, Mathematikprofessoren oder Dax Vorständen gibt“, weil ihr IQ-Quotient nicht mehr hergibt. Er wird Empörung ernten. Und das nicht, weil er sich nicht an eine verordnete Sprachregelung gehalten hat, sondern weil er die Rechte und Würde anderer Menschen verletzt.

Ist das Meinungsdiktatur? Von Höcke bis Söder heißt es jedenfalls, „man“ wolle sich nicht vorschreiben lassen, was „man“ denkt und wie „man“ spricht. Sie haben den Begriff „Wokeness“ mit Attributen wie „Gesinnungsdiktatur“ oder „Cancel Culture“ ausgestattet und verwenden ihn in einer Art Bedeutungsumkehr gegen diejenigen, die gegen Rassismus und Sexismus Stellung beziehen.

Wer das nicht glauben will, kennt vielleicht die ehemalige Bild-Redakteurin Judith Basad nicht, die im vergangenen Jahr in einer Versammlung der CDU-nahen liberal-konservativen Denkfabrik R 21 unter großem Beifall die woke Bewegung als „die größte Gefahr für unsere Gesellschaft“, „mächtiger, als es jede rechtsextreme Bewegung derzeit sein kann“ eingestuft hat.

Das nennt man Täter-Opfer-Umkehr. Ich sag’s mal metaphorisch: Ich schwimme nicht mit in dem Strom, für den die Rechten dieses Flussbett ausgehoben haben! Ich befinde mich in einem anderen Gewässer!

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