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Peter Sinapius

Vom Leben in finsteren Zeiten


Als ich dieses Foto in der neuen ZEIT gesehen habe, hat es in meinem Kopf gebrannt. Auf dem Foto ist im Hintergrund so etwas wie ein Inferno zu sehen und vorne schiebt jemand auf einem Golfplatz in Seelenruhe eine Golfkugel ins Loch. So ähnlich kann man sich vorstellen, was gerade in der Welt passiert.

In den USA findet ein Staatsstreich statt, ohne dass es eine riesige Protestbewegung gibt. Der Historiker Timothy Snyder schreibt: „Hätte eine Gruppe bewaffneter Männer mit merkwürdigen Symbolen die Regierungsgebäude gestürmt, hätten die Amerikaner dies als versuchten Staatsstreich erkannt…“, sie hätten reagiert, wären dagegen auf die Barrikaden gegangen und der Staatsstreich wäre gescheitert.

Jetzt aber sind einfach junge Männer in Anzügen und bewaffnet mit USB-Sticks in die Behörden eingedrungen und „räumen“ auf. Die Erde bebt und niemand merkt etwas. Das ist der „normalcy bias“, eine Normalitätsverzerrung oder anders herum: Der Drang zur Normalität. Eine „wiederkehrende menschliche Tendenz“, so sagt der schwedische Psychologe Joakim Sundh, „aktuelle oder zukünftige Bedrohungen zu unterschätzen oder zu ignorieren.“

Die Ausläufer des Bebens sind bis nach Europa zu spüren. Die Rechtsradikalen in Deutschland werden von Trump ins Boot geholt und offen unterstützt. Und dann setzt er sich mit Putin an den Verhandlungstisch und bringt Europa unter Druck.

Über das „Leben in finsteren Zeiten“ sagte Hannah Arendt 1959 in ihrer Dankesrede anlässlich der Verleihung des Lessingpreises:

„In der Geschichte sind die Zeiten, in denen sich der Raum des Öffentlichen verdunkelt und der Bestand der Welt so fragwürdig wird, daß die Menschen von der Politik nicht mehr verlangen, als daß sie auf ihre Lebensinteressen und Privatfreiheit die gehörige Rücksicht nehme, nicht selten. Man kann sie mit einigem Recht ›finstere Zeiten‹ nennen“.

Der Titel ihrer Dankesrede ist von Bertholt Brecht geborgt, der zwischen 1934 und 1938 das Gedicht „An die Nachgeborenen“ geschrieben hat:

„Wirklich, ich lebe in finsteren Zeiten!
Das arglose Wort ist töricht. Eine glatte Stirn
Deutet auf Unempfindlichkeit hin. Der Lachende
Hat die furchtbare Nachricht
Nur noch nicht empfangen.
Was sind das für Zeiten, wo
Ein Gespräch über Bäume fast ein Verbrechen ist
Weil es ein Schweigen über so viele Untaten einschließt!
Der dort ruhig über die Straße geht
Ist wohl nicht mehr erreichbar für seine Freunde
Die in Not sind? […]“

ZEIT-Artikel und Bildquelle: https://www.zeit.de/2025/08/psychologie-drang-zur-normalitaet-katastrophen-verhalten

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