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Peter Sinapius

Was haben Algorithmen mit Demokratie zu tun?

Immer wieder werden Mitglieder in sozialen Netzwerken blockiert, in ihrer Sichtbarkeit eingeschränkt oder gelöscht, weil irgendein Algorithmus sie nicht „mag“. Ich muss zugeben: Ich verstehe nicht viel von Algorithmen, aber sie fallen, davon bin ich überzeugt, nicht vom Himmel.

Jemand muss sie sich ausgedacht haben. Wenn ich wüsste wer, wüsste ich vielleicht auch, mit welchem Interesse, von wem gesteuert oder veranlasst Beiträge unterdrückt oder seine Autor*innen unsichtbar gemacht werden. Weiß ich aber nicht. Weil das dem Wesen von Algorithmen widerspricht. Algorithmen geben keine persönlichen Standpunkte wieder, sondern sind ein allgegenwärtiges Regelwerk, das unerkannt im Hintergrund wirken möchte.

Algorithmen, so lerne ich, sind eine endliche Folge von Anweisungen, die zu einem bestimmten Ziel führen soll. Das verstehe ich. Und da frage ich mich natürlich, was ihr Ziel ist.

Auf den ersten Blick geht es einfach um die Regulierung von Nachrichtenströmen, um Reichweiten, Sichtbarkeit und Nutzerfreundlichkeit. Ohne das würde ein Netzwerk vermutlich nicht funktionieren. Auf den zweiten Blick sind Algorithmen aber ein potentielles Mittel der unsichtbaren Einflussnahme oder gar Zensur.

Regelwerke, die ihrem Wesen nach im Hintergrund laufen, können gerade deswegen Stellschrauben für Machtausübung sein. Diktaturen funktionieren so. Mir ist das bekannt aus den dunkelsten Kapiteln der deutschen Geschichte.

Im Nationalsozialismus bildeten sie in Form von Gesetzen sowohl den Rahmen für den öffentlichen Diskurs als auch für die Arbeit seiner Beamten, Juristen oder Henker. Die haben hinterher gesagt: „Wir haben uns an die geltenden Regeln und Gesetze gehalten. Wir haben nur unsere Pflicht getan.“

Hinter den Regelwerken blieb der Einzelne zurück – mit seinem Schweigen. Es gab keinen Raum, in dem etwas gemeinsam gewusst werden konnte, das nur auf unterschiedlichen Wahrnehmungen und Positionen hätte beruhen können. In der „Volksgemeinschaft“ hatte der Einzelne keine Stimme, mit der er sich hätte zu Gehör bringen können. Er hätte in ihr nur eine Stimme gehabt, wenn er sie gegen den Chor der jubelnden Massen erhoben hätte.

In einer Demokratie haben Regelwerke wie Algorithmen die Aufgabe, dem Einzelnen eine Stimme zu geben, weil er mehr ist als ein Rädchen in ihrem Getriebe. Menschen sind keine Algorithmen, weil jeder Mensch einzig ist. Jeder Mensch muss in der Lage sein, sichtbar zu werden und sich Gehör zu verschaffen. Genau das müssen Algorithmen ermöglichen.

Und das ist dann Demokratie.

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