Lieber Friedrich Merz,
Sie haben gestern angesichts der bevorstehenden Regierungsbildung mit der SPD gesagt: „Wir müssen ein gemeinsames Bild zeichnen, wie Deutschland in den nächsten Jahren aussehen soll.“
Okay! Ich bin Bildender Künstler und beschäftige mich seit ich denken kann mit Bildern. Was ich gelernt habe: Bilder zeichnet man nicht einfach und pinnt sie dann an die Wand. Das kann man nur mit Reklame machen!
Sie kennen vielleicht das berühmte Bild von Rene Magritte von einer Pfeife, unter das er geschrieben hat: „Dies ist keine Pfeife“. Das nennt man, wissenschaftlich gesprochen, die „Ikonische Differenz“: Das Bild verweist auf etwas, das im Bild selber nicht anwesend ist: Eine Pfeife.
Dieses Bild war ein Wendepunkt im Bildverständnis der klassischen Moderne und nachfolgend der zeitgenössischen Kunst und wurde „Iconic Turn“ genannt: Die Betrachtung eines Bildes wurde nicht mehr als ein passiver, sondern ein aktiver Vorgang aufgefasst, bei dem der Betrachter hervorbringt, was das Bild repräsentiert: eine Pfeife.
Ist Ihnen zu kompliziert? Dann versuche ich es noch einmal anders.
Ein Bild könnte ja sowas wie eine Vision sein. Dann aber müsste derjenige, der das Bild zeichnet, selber dieses Bild verkörpern. Das sind in diesem Fall Sie, Herr Merz!
Angenommen, Sie wären eine Pfeife, dann würde ich sofort sagen können: Dieses Bild behauptet nicht nur etwas, sondern Sie, Herr Merz, verkörpern, wovon es spricht.
Wie bitte? Das ist jetzt aber eine Unverschämtheit?
Fragen Sie einfach! Dann sehen Sie sofort, das nicht die wohlfeile Antwort, aber die Frage zählt.
Ich versuch’s auch. Und ich habe eine Menge Fragen!
Weil mich nicht nur interessiert, wie das Wetter morgen wird.