Als ich vor einem halben Jahr in einem Post der israelischen Regierung unmenschliche Kriegsführung vorwarf, erntete ich noch Kommentare wie: „Was Sie hier tun, bewusst oder nicht, gewollt oder ungewollt, ist geistige Brandbeschleunigung des Antisemitismus.“
Immer wieder wurde mit einem exklusiven Moralanspruch argumentiert, der der israelischen Seite erlaube, Menschenrechte zu verletzen, während der Gegenseite genau diese Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen wurden.
Exemplarisch für diesen von der israelischen Seite immer wieder postulierten Anspruch ist die kürzliche Ausladung des Philosophen Omri Boehm von der Gedenkveranstaltung zur Befreiung des KZ Buchenwald, die auf Betreiben der israelischen Regierung erfolgte. Grund: Boehm vertritt einen universellen Begriff von Menschlichkeit, der sich jenseits kultureller oder ethnischer Identitäten verwirklicht und hat die israelische Kriegsführung entschieden kritisiert.
Boehm sagt: „Beide Seiten verweisen auf eine lange Geschichte des Opfer-Seins, aber weder Palästinenser noch Juden verkörpern irgendetwas Ultimatives, das sie berechtigt, die menschliche Würde der anderen Gruppe zu relativieren. Deshalb brauchen wir einen anderen Ansatz, die kompromisslose Verpflichtung zur Humanität beider Seiten, der der Theorie die Argumente liefert und eine Vorstellung davon besitzt, wie die Praxis aussehen könnte.“
Deswegen kann man hier nur noch von einem Kriegsverbrechen sprechen:
Vor zwei Wochen wurden 15 palästinensische Rettungskräfte in Gaza von israelischen Soldaten getötet. Ihre Leichen wurden acht Tage später in Rafah gefunden. Die israelische Armeeführung erklärte, die Rettungsfahrzeuge hätten sich auf verdächtige Weise den Posten von Soldaten genähert, Blaulicht und Scheinwerfer seien nicht eingeschaltet gewesen. Daher habe man geschossen. Die Getöteten seien Angehörige der Hamas und des Islamischen Dschihad gewesen, die die Rettungsfahrzeuge missbraucht hätten.
Das hat sich inzwischen als unwahr herausgestellt. Die «New York Times» hat vor ein paar Tagen Aufnahmen aus dem Mobiltelefon eines getöteten Sanitäters veröffentlicht. Sie zeigen Krankenwagen und ein Feuerwehrfahrzeug, die deutlich markiert sind und sich mit Scheinwerferlicht und Blaulicht fortbewegen. Dann haben die israelischen Soldaten das Feuer eröffnet und die Sanitäter erschossen. Anschließend wurden ihre Fahrzeuge zerstört und vergraben und mit ihnen die Leichen der Sanitäter — in Uniform. Einige der Getöteten waren gefesselt gewesen.
Israel hat seit Beginn des Krieges im Gazastreifen nach Angaben der Vereinten Nationen mehr als 100 Mitarbeiter des Zivilschutzes und mehr als 1000 Rettungskräfte getötet.