In der Diskussion um das Verbot des rechtsextremen Netzwerks Compact stehe ich plötzlich auf der falschen Seite: Bin ich für einen Überwachungsstaat? Für die Einschränkung der Meinungsfreiheit?
Was ist hier los?
Wo geht’s lang?
Das haben sich auch die Teilnehmer der Talkshow bei Markus Lanz gefragt: „Was müssen wir aushalten? Wieweit reicht die Meinungsfreiheit?“ Dieselbe Fragen hatte sich fast zeitgleich Dirk Neubauer gestellt, der seit 2022 Landrat im Landkreis Mittelsachsen ist, jetzt aufgibt und damit andeutet, dass es um die Diskurskultur geht: „Man ist als Mandatsträger zum Freiwild geworden.“
Der Diskurs wird nicht juristisch entschieden, sondern argumentativ. Und da wird er derzeit rhetorisch nach rechts verschoben. Dabei werden diejenigen zum Freiwild gemacht, die für ein Verbot des rechtsextremen Netzwerks um den Publizisten Jürgen Elsässer und sein Compact-Magazin sind.
Es ist der beständige Versuch der Bedeutungsumkehr: „Deutschland schlägt den Weg in den Überwachungsstaat ein“, sagt der Verfassungsrechtler Volker Boehme-Neßler — und meint damit nicht Compact, sondern das Compact-Verbot.
Geht’s noch?
Es sind mit einem Mal nicht die Rechtsextremisten, die sich mit Compact offen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung richten, sondern es wird die Innenministerin als die eigentliche Gefahr für die freiheitliche Demokratie konstruiert. Sie ist plötzlich Symbol-Figur eines „Meinungs-Faschismus“.
Das treibt auch einen Georg Maßen aus der Versenkung mit der Bemerkung, Nancy Faeser sei als eine „offenkundig der linksextremen Antifa nahestehende Ministerin“ die derzeit „größte Gefahr für unsere freiheitliche Demokratie. Sie muss abgesetzt werden.“
Hallo?!
Hat er da nicht etwas falsch verstanden? In Deutschland werden Regierungen weder eingesetzt noch abgesetzt! Sie werden gewählt!
Die öffentliche Debatte darüber, ob das Verbot von Compact juristisch haltbar ist oder nicht, ist der beste Beweis dafür, dass wir in einem Rechtsstaat leben, in dem die Grenzen der Meinungsfreiheit nicht im Ermessen der Exekutive, sondern der Gerichte liegt. Es geht eben nicht um die Einschränkung der Meinungsfreiheit, sondern um strafbare Handlungen, die sich gegen die Meinungsfreiheit richten.
Deswegen fragt Dirk Neubauer auch nicht nach juristischen Maßnahmen, sondern: „Wo ist diese Mehrheit, die es braucht? Wo sind die Menschen, die auf die Straße gehen?“
Das ist keine Forderung etwas zu verbieten. Ich verstehe das eher als Aufforderung, den politischen Diskurs nicht nur mit dem Ziel zu führen, nur “das eigene Land” zu bestellen.
Sondern vor allem mit dem Ziel, Presse- und Meinungsfreiheit zu gewährleisten.