
Als ich die Hasstiraden von Trump auf die Obdachlosen hörte, musste ich daran denken, wie ich während meiner Studienzeit in San Francisco Obdachlose gemalt hatte. Ich hatte ihnen in die Augen geschaut. Jemand, der hasst, der macht das nicht.
Gehasst wird ungenau. Am besten gedeiht Hass auf der Basis von Stereotypen und Vorurteilen. Das Objekt des Hasses kann ihnen nicht entgehen.
Jetzt will Donald Trump die Obdachlosen aus den Städten vertreiben, isoliert sie und entzieht ihnen ihre Rechte. Sie sollen unsichtbar gemacht werden. Dafür hat er in Washington sogar die Nationalgarde mobilisiert.
Auf seiner Social-Media-Plattform verkündete er: „Die Obdachlosen müssen sofort wegziehen. Wir werden euch Unterkünfte geben, aber weit weg von der Hauptstadt. Die Kriminellen müssen nicht wegziehen. Wir werden euch ins Gefängnis stecken, wo ihr hingehört.“ Menschen mit Suchtproblemen will er zwangsweise einweisen lassen.
Auffällig ist der Pluralis majestatis! Trump spricht, als wäre er alles in einem: Legislative, Judikative und Executive. Jemand, der den Rechtsstaat abschafft.
Für Trump ist nicht die Obdachlosigkeit ein Problem, sondern „die Obdachlosen“. Und mit der Subsumierung von Individuen unter dem Plural „die Obdachlosen“ schafft er ein Stereotyp, das den einzelnen Menschen als Subjekt unsichtbar macht. So werden Sündenböcke produziert.
Auf der Website von „Invisible People“ wird formuliert, wie das funktioniert: „Es besteht ein direkter Zusammenhang zwischen dem, wie die Öffentlichkeit Obdachlosigkeit wahrnimmt und wie die Politik reagiert. Die meisten Menschen machen die Betroffenen selbst für ihre Obdachlosigkeit verantwortlich.“
Eine der Ursachen für die Obdachlosigkeit ist neben sozialer Ungleichheit und Armut der Mangel an bezahlbaren Wohnraum. Begleitumstände von Obdachlosigkeit sind Alkoholismus oder Drogensucht, psychische Erkrankungen und medizinische Unterversorgung.
Mit 170.000 Menschen leben fast ein Drittel aller Obdachlosen der USA in Kalifornien. Ein Großteil davon von ihnen lebt San Francisco, wo die Mieten ständig auf neue Rekordhöhen steigen.
Genau hier, in San Francisco, bin ich Obdachlosen begegnet. Über mehrere Monate hinweg ging ich in die Notquartiere der Obdachlosen und zu denen, die noch nicht einmal ein notdürftiges Dach über dem Kopf hatten. Ich wollte sie malen und hielt ihre Portraits in Zeichnungen und auf der Leinwand fest.
Damit aber hatten wir die Rollen getauscht: Statt in der Rolle der „Bittsteller“, die sie gewöhnlich hatten, fanden sie sich in der Rolle der „Gastgeber“ wieder. Statt Almosen zu erbitten, waren sie diejenigen, die mir etwas gaben. Sie zeigten etwas, für das sich gewöhnlich niemand interessierte: Selbstbewusstsein.
Auf der Lithografie, die hier zu sehen ist, ist Glenna abgebildet. Ich traf sie im Tenderloin District. Sie hat mir erzählt, dass sie Gedichte schreibt.