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Peter Sinapius

Kein Blick zurück

„Demokratie wird überschätzt“, ist die die Kolumne in der FAZ von Rainer Hank überschrieben. Sein Kollege Thomas Tuma vom Focus ist begeistert und widmet ihm einen Beitrag unter der Überschrift: „Ein paar andere Gedanken zu den Demokratie-Demos gefällig?“

Beide Texte greifen Narrative der AfD auf, ohne sie sich zu eigen zu machen — frei nach dem Motto: „Ich wasch Dir den Pelz, aber ich mach mich nicht nass!“ Die Strategie: Verschleierung von Fakten und ihre systematische Bedeutungsumkehr. Kerngedanke: Eine linksgrüne Minderheit versucht sich einer sich abzeichnenden demokratisch legitimierten rechtsextremen Mehrheit in den Weg zu stellen.

Zentrale These: „Auf den Marktplätzen des Landes demonstriert nicht die „schweigende Mitte“, sondern eine linksgrüne Minderheit“. Demokratische Mehrheiten für Extremisten in 3 Bundesländern sagen die beiden Autoren dagegen voraus. Das sei „doch gerade Demokratie, ob es einem passt oder nicht“ und darum seien diejenigen, die gewählt würden, Demokraten, auch wenn sie Björn Höcke heißen.

Ich drehe kurz den Kopf und sehe einen „waschechten“ Demokraten. Er wurde demokratisch zum Reichskanzler gewählt und hieß Hitler. Das ist doch nun ein völkisches Argument, höre ich Hank wörtlich sagen und drehe meinen Kopf wieder nach vorne.

Ich gehöre, so lerne ich bei ihm, zu einer selbsternannten Mehrheit, die in Wirklichkeit eine ideologisch angetriebene links-grüne Minderheit ist und Faschisten wie Höcke seine legitimen demokratischen Rechte absprechen will. Es stehe nicht die Demokratie auf dem Spiel, sondern die nationale Souveränität — und die dürfe nicht an europäische Institutionen delegiert werden. In meinem Rücken höre ich das Ächzen des deutschen Reiches unter dem Versailler Vertrag.

Sollten Extremisten gewählt werden, sei die Demokratie nicht gefährdet, beteuert Hank. Es sei eher anders herum: Der Demokratiebegriff werde „übertrieben ideologisch besetzt“ und von einer „selbsternannten schweigenden Mehrheit […] unterstützt von öffentlichem Rundfunk, Ampelpropaganda und teuer alimentierten Demokratieforschungsprogrammen […] als kommunikativer Trick der Gemeinwohlrhetorik“ mißbraucht. Gemeinwohl und Rhetorik hat er zusammengefügt! Genial!

Ein Blick zur Seite und da ist — Höcke. Er bringt die Gedanken von Hank auf den Punkt: „Deutschland ist im Jahr 2024 keine funktionierende Demokratie mehr […] Die Kartellparteien, vor allem die Roten und Grünen, haben sich eine Straßenkämpfertruppe zusammengebaut […] das sind dieselben Menschen, die 1933 die Fackelmärsche in Nazideutschland veranstaltet haben.“ Ach so: Ich war das!

Dann fügt er noch an: „Natürlich brauchen wir Konzepte dafür, wie wir Millionen über Jahrzehnte illegal Eingewanderte perspektivisch zurückführen können. Und wenn es nur Hunderttausende sind. Wir fangen aber an“.

Ich drehe doch noch einmal meinen Kopf und blicke in die Vergangenheit. Ich sehe Hunderttausende, die im „3. Reich“ keine Bleiberecht hatten. Am Ende waren es Millionen.

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