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Peter Sinapius

Die Krähe und ihr Opa

Es gibt einen Politiker der A*D, den ich hier einfach mal die „Krähe“ nennen möchte. Sie tritt zur Europawahl als Spitzenkandidat an. Eine zentrale Rolle in ihrer Rhetorik spielt der Opfer-Mythos. Er zielt auf die Mobilisierung von Affekten, die die Zuhörer*innen immunisieren sollen gegen die Realität. Die Krähe sagt: „Unsere Vorfahren waren keine Verbrecher! Unsere Vorfahren waren große Männer und Frauen, es waren Helden, es waren Vorbilder…!“

Sie erzählt, ihr Opa habe als Frontarzt „das Deutschtum im Osten“ verteidigt. Dass er aktives Mitglied der NSDAP war, verschweigt sie. Sie macht sich den Opa zum Vorbild und sagt auf TikTok: „Wenn Du wieder entdeckst, was Deine Vorfahren alles getan haben – dann wirst auch Du Dich aufrichten können!“ Oder — wie es durch das A*D-Programm wabert: „Schluss mit der Schuld- und Schamkultur“, die doch nur ein Produkt der „Mainstream-Medien“ ist.

Ach so, soll man sich denken, diese ganze „Schuld- und Schamkultur“ ist nicht nur gegen meinen Opa, sondern auch gegen mich gerichtet. Erst hat Opa im Schützengraben seinen Kopf für Deutschland hingehalten, jetzt wird er zum Täter gemacht und ich soll mich schuldig fühlen. So sollen die Zuhörer*innen in die Opferrolle bugsiert werden und schon hat sie die A*D.

Nun kann man zu recht fragen, wer so blöd sein kann, auf diese Propaganda reinzufallen. Und die einfache Antwort lautet: Die sind nicht blöd. Die Krähe appelliert an Affekte, die ihren Ursprung nicht im Intellekt haben, sondern in der Rhetorik und dem Geschick, Täter zu Opfern umzudeuten, so dass sich die Zuhörer*innen mit der Opferrolle identifizieren können. Der Realitätsgehalt der Aussage verschwindet gleichsam hinter dem Affekt: „Ich bin das Opfer.“

Es heißt immer, die Rechtsextremisten würden an begründeten Ängsten der Menschen anknüpfen. Es ist umgekehrt: Die konstruieren sie, indem sie Narrative verbreiten, durch die den Menschen suggeriert wird, sie seien die Opfer der Politik. Dabei spielen nicht Fakten, sondern Affekte eine zentrale Rolle. Sie sind der Kitt, durch den Menschen an die A*D gebunden werden sollen. Umgekehrt ausgedrückt: Affekte sind soziale und kulturelle Konstrukte, die sich verknüpfen lassen mit sozialen Normen, Werten, Überzeugungen und Praktiken.

Wie sagte noch Alexander Gauland? Die Deutschen hätten „das Recht, stolz zu sein auf Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen“. Haben sie nicht, sage ich! Und genau auf diese Antwort spekuliert die A*D. Dann funktioniert Gaulands Satz nach dem Prinzip der sich selbst erfüllenden Prophezeiung: „Hab ich’s nicht gesagt: die tapferen Deutschen werden wieder zu Tätern gemacht!“

Das ist schon perfide: Niemand soll es gewesen sein. Zur Erinnerung: 6 Millionen Juden wurden unter den Nationalsozialisten ermordet. Mehr als 75 Millionen Menschen waren im 2. Weltkrieg weltweit Opfer von Verbrechen und Kriegsfolgen.

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