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Peter Sinapius

Die Zukunft ist jetzt!

Und schon wieder sind sie auf den Zug aufgesprungen: Ich habe keine Ahnung, was ich von dem neuen Bundeshaushalt halten soll. Aber dass die CDU als neuralgische Punkte die Migrantinnen und die Bürgergeldempägerinnen identifiziert, ist einem Bedrohungsszenario entliehen, das Rechtsextremisten entworfen haben.

Im Kampf um die öffentliche Meinung arbeiten Rechtsextremisten mit Verschwörungstheorien, Fremdenfeindlichkeit und Sündenbockkonstruktionen. Im Diskurs verhält sich ihre Propaganda hermetisch und undurchdringlich wie eine Mauer. Das halten andere für ein Erfolgsrezept und nehmen es dann zum Anlass, sich die Narrative der Rechtsextremisten zu borgen, um Wählerstimmen hinter sich zu bringen. Ich frage mich: Mangelt es den demokratischen Kräften an rhetorischem Geschick oder einer alternativen Erzählung, um die Rhetorik der Rechtsextremisten außer Kraft zu setzen?

Was im Augenblick auf Deutschlands Straßen stattfindet, ist eine alternative Erzählung. Ihr Ausgangspunkt sind soziale Praktiken. Diese Erzählung hat eine gewaltige Kraft. Sie kommt aus ohne rhetorische Winkelzüge. Sie braucht keine Heils- oder Wohlstandsversprechen, weil sie nicht das Ergebnis von wahltaktischen Manövern ist.

Sie folgt einem anderen Versprechen. Ein anderes Versprechen ist es, wenn jemand für mich da ist, wenn ich bedürftig bin. Ein anderes Versprechen ist es, wenn ich einem anderen Menschen zuhöre, wenn er sich mir anvertrauen will. Ein anderes Versprechen ist es, wenn ich anderen Menschen Respekt entgegenbringe, wenn sie anders sind als ich. Ein anderes Versprechen ist es, dass ich für Andere aufstehe, wenn ihre Freiheit und Integrität bedroht ist.

Ich behaupte: Es mangelt den demokratischen Kräften nicht an rhetorischem Geschick, weil es um Rhetorik gar nicht geht. Ich bin den Faschisten rhetorisch nicht gewachsen. Sie drehen mir das Wort im Mund herum. Sie produzieren mit Worten eine Welt, in der ich nicht lebe. Die Welt, in der ich lebe, ist keine rhetorische Figur, sie ist keine Verschwörungstheorie und sie ist auch keine Feindschaft gegen Andere. Die Welt, in der ich lebe, schließt die oder den Andere*n immer mit ein.

„Der Mensch wird am Du zum Ich“, formuliert Martin Buber eine Bedingung zwischenmenschlicher Beziehungen. Und Lacan sagt aus einer anderen theoretischen Perspektive: „Le je n’est pas le moi“ – „Ich ist ein Anderer“. Wenn ein Kind zwischen dem 6. und dem 18. Lebensmonat zum ersten Mal sein eigenes Bild im Spiegel erkennt, identifiziert es sein Ich mit etwas, mit dem es nicht identisch ist: Seinem Spiegelbild. Diese Fähigkeit, sich selber in Anderem zu finden, ist eine Grundbedingung sozialer Gemeinschaften.

Ich möchte meine Zukunft nicht in die Hände derjenigen legen, die mit ihren Versprechungen um die Meinungshoheit kämpfen um Wahlen zu gewinnen.

Die Zukunft ist jetzt!

Das ist eine Zukunft, in der vor allem die Gehör finden, deren Stimme keine wohlfeilen Reden hervorbringt. Weil jeder Blick eine Stimme ist.



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