Klaus Philipp Mertens hat 2016 eine Abhandlung über die Sprache ins Netz gestellt, die ich hier zitieren möchte, um die gegenwärtig grassierende Polemik und daraus folgende Gewalt gegen die Grünen zu kommentieren.
Er zitiert Konfuzius mit dem Satz: „Wenn die Sprache nicht stimmt, so ist das, was gesagt wird, nicht das, was gemeint ist.“
Und dann fährt er fort:
„Dieser Einschätzung von Konfuzius ist eigentlich nichts hinzuzufügen.
Denn Sprache dient auch als Instrument, um das, was über Menschen und die Welt des Menschen ausgesagt werden könnte und müsste, zu verschleiern. An unserer Sprache, ganz besonders an unserer Alltagssprache, ist abhörbar und ablesbar, ob wir alles, was im Sinn des Philosophen Ludwig Wittgenstein „der Fall“ ist, also die Gesamtheit der Tatsachen, umfassend wahrnehmen, sie objektiv bewerten und ob wir eindeutige Worte benutzen, um sie korrekt zu beschreiben.
[…]
Was jenseits von ihr [der Sprache] liegt, also jenseits aller Ausdrucksmöglichkeiten, „wird einfach Unsinn sein“. Unsinn bedeutet mithin Sinn, der keinen Sinn ergibt, weil er keinen Sinn besitzt und zu keinem Sinn führt. Fest an der Seite des Unsinns steht die Dummheit – und hiermit ist die gelenkte, also die synthetische Dummheit gemeint (und nicht eine angeborene Minderbegabung). Sie ist das Produkt vielfältiger Manipulationen. Und sie artikuliert sich nicht zuletzt in dummer Sprache, die in jedem ihrer Elemente unter Wittgensteins Verdikt fällt.
Für sie gibt es hierzulande seit über zwei Jahrzehnten auch den Begriff „Dummdeutsch“. Die Traditionslinien des Dummdeutschen führen weit zurück. Hierzu ein Beispiel: Während der römische Satiriker Juvenal formulierte: „Wir wollen beten, dass in einem gesunden Körper auch endlich einmal ein gesunder Geist wohnen möge“, grassiert seit der Epoche des deutschnationalen und reaktionären Pädagogen und „Turnvaters“ Friedrich Ludwig Jahn (1778 – 1852) eine schwach- und unsinnige Verfälschung. Dass nämlich nur in einem gesunden Körper ein gesunder Geist wohnen könne. Ganz im Sinne Wittgensteins, aber mehr als drei Jahrzehnte vor diesem, schrieb Oscar Wilde den Schwätzern des Fin de Siécle ins fliederfarbene Poesiealbum: „Gesegnet seien jene, die nichts zu sagen haben – und darum den Mund halten.“
Den Schwätzern von heute möchte man Ähnliches empfehlen, auch und vor allem dann, wenn sie uns mit ihrer Betroffenheit betroffen machen wollen. Womit wir bereits mitten im Dummdeutschgefasel angekommen sind. Denn diese vorgetäuschte Betroffenheit ist geborgtes Elend, sie geht einher mit Verantwortungslosigkeit und sie ist mittlerweile kennzeichnend für unsere Republik der Phrasendrescher, die im Oberflächlichen verharrt. Denn hier schwafelt man lieber über Moral statt sie zu praktizieren. Besser wäre es, zu handeln, statt in rhetorischen Übungen zu betonen, dass man seine „Betroffenheit inhaltlich einbringen möchte“ […]”.