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Peter Sinapius

Grünen-Bashing

Gestern lese ich auf LinkedIn in einem Kommentar unter einem Beitrag von „Gehirnwäsche der linksgrünen Sekte“, die „schamlos ihre Ideologie“ verbreitet, „die Wirtschaft zerstört“, „das Volk spaltet“, „jede abweichende Meinung bekämpft“, „hetzt, verleumdet und diffamiert“ und „über den ÖRR Gehirnwäsche betreibt“.

Das empfinde ich wie einen Schlag in die Magengrube. Blanker Hass. Das ist das Prinzip der sich selbst erfüllenden Prophezeiung: Der Gegner wird schachmatt gesetzt, indem er mit Stereotypen und Verabsolutierungen ausgestattet wird, bevor er in Erscheinung getreten ist.

Eigentlich ist das die typische Rhetorik der rechtsextremen Propaganda — dass sie aber ohne Widerspruch bleibt, hatte ich nicht erwartet. Ich halte mit meinen Kommentaren dagegen, scheine aber vollkommen alleine zu sein mit meiner Empörung.

Das Grünen-Bashing hat Geschichte: „Linksgrüne Sekte“, „Grüne Klima-Ideologie“ oder „Lügenpresse“ sind Schlagworte, die von rechts in den politischen Diskurs eingesickert sind und es inzwischen in verschiedenen Variationen bis in den Mainstream geschafft haben: von Söder über Merz bis Wagenknecht.

Für diese Diskursverschiebung nach rechts sind die „Unwörter“ der letzten 10 Jahre so etwas wie ein Seismograph: „Klimaterroristen“ (2022), „Pushback“ (2021), „Rückführungspatenschaften“ und „Corona-Diktatur“ (2020), „Klimahysterie“ (2019), „Anti-Abschiebe-Industrie“ (1918), „alternative Fakten“ (2017), „Volksverräter“ (2016), „Gutmensch“ (2015), „Lügenpresse“ (2014), „Sozialtourismus“ (2013).

Das liest sich wie eine Inhaltsangabe der rechten Hass-Tiraden, die in dem Begriff „grün-versifft“ ihre Zuspitzung finden. Und da wundert es auch nicht, dass man im Nationalsozialismus landet, wenn man den Begriff „versifft“ zurückverfolgt: „Versifft“ kommt von „Syphilis“ und meint die Abwehr von vermeintlichem Schmutz, Schlamm, Sumpf oder Schleim. Die Nationalsozialisten gebrauchten den Begriff, weil sie in ihm ein Symbol für das wilde, enthemmte Leben sahen. Erfunden hat den Begriff Adolf H*tler, als er in „Mein Kampf“ von der „Versyphilitisierung des Volkskörpers“ und von der „Bekämpfung der Syphilis als die Aufgabe der Nation“ sprach.

Da gehe ich doch ins Grüne und sehe nach, wie versifft die Natur ist. Ich gehe in den Bremer Rhododendron-Park. Die Rhododendron-Blüte ist vorbei. Jetzt blüht der Fingerhut. Der ist ziemlich giftig.

Ich gehe weiter und lande in dem „Garten der Menschenrechte“, der sich seit 2003 in dem Park befindet als Teil eines weltweiten Kunstprojektes. Entlang der Parkwege sind die 30 Artikel der UN-Menschrechtskonvention auf Bronzebändern verewigt, für die Schulklassen die Pflegepatenschaft übernommen haben. Das gefällt mir.

Ich stehe vor Artikel 1 der UN-Menschrechtskonvention. Das zentrale Wort ist: WÜRDE.

Das ist ein Statement. Und ein ziemlich gutes Gift.

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