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Peter Sinapius

Hört mich jemand?

In meinem letzten Beitrag versuchte ich mir unter der Überschrift: Mit Laub- oder Kettensäge? Gehör zu verschaffen. Mit der Laubsäge in der Hand wollte ich ein Gegenbild zu dem Werbeplakat entwerfen, auf dem CDU-Politiker mit der Kettensäge unter der Losung posieren: „Es wird Zeit für den Grünschnitt“.

Mir wurde daraufhin Populismus vorgeworfen. Ein Populist nutzt laut Wikipedia „einfache, emotional ansprechende Botschaften, um komplexe politische, wirtschaftliche oder soziale Probleme zu erklären“. Ich gebe zu: Das Bild Laubsäge versus Kettensäge zielt auf eine emotional ansprechende Botschaft.

Die Formulierung einfacher, emotional ansprechender Botschaften macht allerdings alleine noch keinen Populismus aus. Populismus wird in der politischen Theorie vor allem durch zwei Merkmale charakterisiert: Er richtet sich erstens gegen eine angebliche Elite und zweitens gegen eine pluralistische Gesellschaft.

Die Populisten wollen sich als Stimme des Volkes Gehör verschaffen, indem sie sich als Speerspitze einer Bewegung aufspielen, die unter der Losung „Wir sind das Volk!“ den eigentlichen Volkswillen repräsentiert. Dieser Volkswille, so ihre Botschaft, richtet sich gegen staatliche Institutionen und Medien, die von der „Elite“ instrumentalisiert werden, um die Mehrheit zum Schweigen zu bringen.

Daraus leitet sich ihr moralischer Anspruch ab, die einzigen zu sein, die das Volk vertreten: Alle anderen vermeintlichen Repräsentanten gehören zu jener korrupten Elite, die sich — so steht es im A*D-Programm — autoritär und teilweise totalitär gebärdet und der deswegen Einhalt geboten werden müsse.

Um ihr Narrativ in der Öffentlichkeit zu verankern, arbeiten Populisten mit Zuschreibungen, Beleidigungen und Unterstellungen. Die richten sich gegen „die da oben“ und sind in Stein gemeißelt: Es gibt nur einen Volkswillen.

Was bedeutet das für eine demokratische Streitkultur?

Vor 4 Jahren hat Michelle Obama in einer Rede einen Satz Hillary Clintons aufgegriffen, der dafür paradigmatisch geworden ist: „When they go low, we go high“. Heißt soviel wie: Wenn die Populisten an niedere Instinkte appellieren, zeigen wir, was Anstand ist. Auf die Frage, ob man nur mit Anstand weiterkomme, antwortete Michelle Obama: „Wenn wir die gleiche Taktik anwenden wie die anderen, wenn wir Leute erniedrigen und entmenschlichen, werden wir nur Teil des hässlichen Lärms.“

Wer wissen will, welches Verständnis dahinter steckt, kann in den Himmel gucken. Wolken sind ein passendes Bild für eine offene Streitkultur. Wolken sind kein Ding. Sie sind ein Ereignis. Sie sind in einem ständigen Austausch mit ihrer Umgebung. Wolken sind keine Steine, die hermetisch sind.

Die Botschaften der Populisten sind wie Steine, mit denen sie ihren hässlichen Lärm erzeugen. Was aber ist ihr Lärm gegenüber einem kräftigen Gewitter!

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