KOMMUNIKATION UNTERHALB DER GÜRTELLINIE
Wie Gewalt entsteht? Jede*r kann dieses Gedankenexperiment machen: Man stelle sich vor, man hat einen Termin und kommt in einen Verkehrsstau. Das Auto vor mir fährt nicht weiter, weil der Fahrer gerade damit beschäftigt ist, eine SMS loszuwerden. Hallo? Gehts noch? Gehörst du auch zu denen…? Mensch, kannst Du nicht oder hast du schon? Was haben sie eigentlich mit dir gemacht? Kannst du nicht später deine Fingernägel lackieren?
Und dann die Vorstellung, man könne ihn ohrfeigen. Oder noch schlimmer: k.o. schlagen. Jedenfalls irgendwie aus dem Weg räumen! Der Termin wartet schließlich nicht!
Wie entsteht Gewalt? Eine Voraussetzung ist der hermetische Raum. Die Anderen existieren nur als Projektionsfläche für meine Phantasien. Die Anderen interessieren mich nicht. Ich sitze ja in einem anderen Auto!
So oder so ähnlich erlebe ich das, was in Deutschland gerade passiert: Es werden Projektionsflächen geschaffen, in denen eine Bestätigung finden kann, was der eigenen Selbstvergewisserung dient. Man kann das auch die sich selbst erfüllende Prophezeiung nennen.
Auf dem Parteitag der CDU hatte Söder die Rolle übernommen, auszuteilen um damit einer programmatischen Verschiebung nach rechts den Rückenwind zu geben. Dabei greift er in die allerunterste Schublade. Beispiele:
Wir spüren, „dass unkontrollierte Zuwanderung uns überfordert“. Oh ja! Wo Söder es sagst, spür ich es auch! Und was will er machen? Das Bürgergeld, das die Ampel beschlossen hat, ist ein „Pullfaktor“ für Migration. „Wir wollen Migration, aber keine Zuwanderung in die Sozialsysteme“, sagt er. Was schert es ihn, ob das denn stimmt! Es reicht, dass er es sagt. Und die A*D reibt sich die Hände.
Er ist gegen „Klimaideologen und Klimakleber“. Genial: zwei Begriffe miteinander kombiniert und schon steht das Feinbild. Mehr muss man doch nicht sagen. Reicht doch für eine sachgerechte Klimapolitik. Schließlich liegt „die jüngste Erwärmung im Bereich natürlicher Klimaschwankungen“. Entschuldigung! Da hatte ich jetzt aus Versehen das A*D Programm aufgeschlagen.
So geht das weiter: Ricarda Lang kann er sich nicht als Ministerin vorstellen. Er ist gegen „Woke-Philosophie“, für Wehrpflicht und bundesweites Genderverbot (kommt irgendwie in einem Atemzug). Dann noch eine kleine Anekdote am Rande: Er hat aus Versehen vegane Wurst gegessen und sagt: „Liebe Freunde, lasst es, bitte!“. Alle lachen.
Es ist aber nicht lustig. Das ist die Rhetorik, aus der Gewalt entsteht. Liebe Freunde, lasst es, bitte!
