WIE GEHT POLITISCHE STREITKULTUR?
Laub- statt Kettensäge? Ist komisch? Aber eigentlich nicht lustig!
Seit die Hetze gegen die Grünen immer absurdere Formen annimmt und die Herren von der CDU mit Kettensägen auf einem Wahlplakat posieren unter der Losung: „Es wird Zeit für den Grünschnitt“, wird über richtige Kommunikationsstrategien gestritten. Die Grünen sollen sich mal „aus der Deckung“ wagen und sich der politischen Auseinandersetzung stellen. In den Ring steigen. Umschalten in Richtung Attacke. Entdecke den Trump in Dir!
Was ist das für eine Vorstellung von Streitkultur? Raus aus dem Stuhlkreis! Dem Gegner eins auf die Glocke hauen! Politik ist halt schmutzig! Hol deine Boxhandschuhe oder deine Kettensäge raus!
Und was mache ich mit meiner Laubsäge? Passt nicht als Bild? Ist die nur was für Schwächlinge?
Nein, ist sie nicht! Sie ist ein Stück Kultur. Die Laubsäge wurde im 16. Jahrhundert in Italien erfunden. Mit ihr wurden Intarsien in Laubform ausgesägt. Das geht mit einer Kettensäge nicht – abgesehen davon, dass die erst 400 Jahre später auf den Markt kam.
Jeder müsste jetzt eigentlich merken, welche Bilder hier aufeinandertreffen. Ich habe nichts gegen Kettensägen, Boxhandschuhe oder einen handfest ausgetragenen Streit. Ich habe etwas gegen die unkritische Übernahme von Metaphern, die aus der Streitkultur eine männlich dominierte und latent gewalttätige Debattenkultur machen.
Die Rechten machen das vor: Sie etablieren zuerst das Narrativ von den sog. „Eliten“ und agieren anschließend von „Unten“ gegen die „da Oben“. Geht ja nicht anders, sagen sie. Auf Augenhöhe ist nicht! Und dafür kann man auch schonmal eine Kettensäge oder eine Mistgabel in die Hand nehmen. Der Übergang zu physischer Gewalt ist dann fließend. Das haben wir in den vergangenen Monaten oft genug erlebt.
Tut mir leid: In einer Streitkultur haben Boxhandschuhe oder Kettensägen nichts zu suchen. Das mögen manche als ein Anzeichen für Schwäche oder Feigheit halten: Aber das Bild vom Stuhlkreis ist gar nicht so schlecht. Er ist nicht hierarchisch, in ihm herrscht Respekt und was zählt, sind nicht die Fäuste, sondern das Argument.
Und ich hole jetzt meine Laubsäge raus und säg mir ein Stück Laub heraus! Von wegen Grünschnitt!
