Paul Johannzen war Busfahrer. Kaum jemand kennt ihn. Es gibt noch nicht einmal ein Bild von ihm. Er hatte sich während des 2. Weltkrieges einen Radioapparat zugelegt, „feindliche“ Sender abgehört und mit anderen darüber gesprochen. Am 8.1.1945 wurde er hingerichtet.
Mit der Forderung der A*D nach einem Ende der „Schuld- und Schamkultur“ sollen nicht nur die Opfer des Nzi-Terrors, sondern auch die Täter unsichtbar werden. Dabei waren diejenigen, die als Richter oder Staatsanwälte Unrecht gesprochen hatten, bereits bald nach dem Krieg von Schuld und Scham befreit worden und straffrei geblieben. Darunter auch die Richter des Volksgerichtshofes, die an Dutzenden von Todesurteilen gegen Widerstandskämpfer mitgewirkt hatten.
Paul Johannzen war Mitglied der sog. Revolutionären Gewerkschafts-Opposition (RGO) gewesen. Mehr oder weniger zufällig wurde er am 10.6.1943 aufgrund einer Denunziation verhaftet. Er hatte „Feindfunk abgehört“ und im Betrieb die „Feindnachrichten systematisch verbreitet“. Das Urteil lautete zunächst 10 Jahre Zuchthaus und „Ehrverlust“.
Der Präsident des Volksgerichtshofes Freisler gab sich mit diesem Urteil nicht zufrieden und legte einen außerordentlichen Einspruch ein. Unter seinem Vorsitz wurde die Sache neu verhandelt. Als „ehrloser Zersetzungspropagandist“ wurde Johannzen am 28.11.1944 schließlich zum Tode verurteilt.
Am 8.1.1945 wurde das Urteil vollstreckt. Die Vollstreckung dauerte 8 Sekunden und wurde auf einem DIN-A5-Formblatt genau protokolliert.
Der Scharfrichter Röttger, ein Pferdemetzger und Fuhrunternehmer, erhielt wegen der Schwere seiner Aufgabe ein Jahresfixum von 3.000 Reichsmark plus 30 Mark „Kopfprämie“. Er verdiente gut damit. Der Präsident des Volksgerichtshofes Freisler hatte von 1942 bis zu seinem Tod 1945 etwa 2.600 Todesurteile ausgesprochen, von denen Röttger einen Großteil vollstreckte.
Der Scharfrichter Röttger verstarb kurz nach dem Krieg. Freisler konnte nicht zur Rechenschaft gezogen werden, weil er am 3.2.1945 bei dem Luftangriff ums Leben kam. Seine Rehabilitierung erfolgte indirekt, indem seiner Frau eine erhöhte Altersversorgung zuerkannt wurde, weil unterstellt wurde, dass ihr Mann nach dem Krieg in der Bundesrepublik seine Juristenkarriere fortgesetzt hätte.
Bis heute ist von bundesdeutschen Gerichten kaum ein Richter, der unter den Nationalsozialisten Unrecht gesprochen hat, zur Rechenschaft gezogen worden. Die Richter hätten ja nur nur „ihre Pflicht“ getan.
Nach dem herrschenden Rechtsbewusstsein hatten weder Richter noch Henker an dem Tod von Paul Johannzen schuld gehabt. Sie waren ja nicht für die Gesetze verantwortlich.
Wäre das so, wäre Johannzen ermordet worden, ohne dass es einen Mörder gab.
NIE WIEDER IST JETZT!