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Peter Sinapius

Sprache der Gewalt

Ich mag Lindner nicht. Diesen aufgeblasenen Porsche-Fahrer. Und erst recht nicht den Merz, der von seinem Nazi-Großvater schwärmt. Ganz zu schweigen vom CDU-Generalsekretär, dessen Namen ich vergessen habe. Der, der immer noch einen Konfirmationsanzug trägt. Oder Chrupalla, der so einen unterbelichteten Eindruck macht, der von der deutschen Leitkultur faselt und kein deutsches Gedicht aufsagen kann!

Ich gebe zu, das ist Polemik. Wahrscheinlich ist es auch Satire. Es ist einseitig und ich sage, was ich denke. Ich mache mich damit angreifbar.

Anders ist das, wenn ultimative und abschließende Aussagen getroffen werden, über das, was einer unabwendbaren Notwendigkeit folgt und deswegen Gesetz werden soll. Meistens im Plural oder Neutrum, hinter denen sich diejenigen, die sprechen, verbergen können. Die Zuhörer*innen werden in Geiselhaft genommen, weil sich die Aussagen schließlich dem „gesunden Menschenverstand“ oder „objektiven“ Gegebenheiten verdanken. So entfaltet sich die Gewalt der Sprache.

Einige Beispiele:

Im März 2011 spricht Horst Seehofer davon, man müsse sich gegen die „Zuwanderung in deutsche Sozialsysteme wehren – bis zur letzten Patrone“. Damit war er Beatrix von Storch weit voraus, die 2016 den Schusswaffengebrauch gegen Flüchtlinge an der Grenze befürwortete.

In diesem Licht liest sich die Forderung von Alexander Dobrindt im März 2018 wie eine Drohung: “Deutschland braucht eine Rückführungskultur“. Und ich denke mir, wann und wer hat eigentlich die Debatte über „Remigration“ oder besser Deportation von Ausländern angestoßen?

Fast nahtlos kann Alice Weidel im Mai 2018 anschließen, als sie sagt: „Burkas, Kopftuchmädchen, alimentierte Messermänner und sonstige Taugenichtse, werden unseren Wohlstand, das Wirtschaftswachstum und vor allem den Sozialstaat nicht sichern.“

Und dann ist es Friedrich Merz, der im September 2023 auf den Zug aufspringt: „Die werden doch wahnsinnig, die Leute, wenn die sehen, dass 300.000 Asylbewerber abgelehnt sind, nicht ausreisen, die vollen Leistungen bekommen, die volle Heilfürsorge bekommen. Die sitzen beim Arzt und lassen sich die Zähne neu machen, und die deutschen Bürger nebendran kriegen keine Termine.“

Die Liste ließe sich problemlos fortsetzen. Sie zeigt, wie seit Jahren sprachlich Grenzen verschoben werden.

Diskriminierung vollzieht sich schleichend und folgt einer scheinbar unhintergehbaren Logik. Weil doch jeder auf der Straße oder in der Arztpraxis Ausländer sehen kann. Und dann sind sie für ihn Projektionsfläche für das, was andere über sie gesagt haben: Taugenichtse, die nicht ausreisen wollen, unsere Plätze in den Arztpraxen belegen und „unseren“ Wohlstand bedrohen. Sie werden als soziale Subjekte hinter Allgemeinplätzen unsichtbar gemacht. So realisiert sich die Gewalt der Sprache.

Demokratie funktioniert aber nur, wenn wir uns selber ins Spiel bringen und andere als Subjekte anerkennen. Das aber geht nur, wenn wir Andere nicht zum Neutrum oder Plural machen.

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