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Peter Sinapius

Über Moral

Bei der Bombardierung eines Flüchtlingslagers in Rafah sind vorgestern mindestens 45 Menschen getötet worden. Es hört nicht auf! Nicht die Gewalt in Nahost und auch nicht die Instrumentalisierung des Terrors der Hamas zur Relativierung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Und wie reagieren israelische Regierungsvertreter auf ihre Kritiker? Der israelische Außenminister hat mit einem geschmacklosen Video auf die Entscheidung Spaniens, Irlands und Norwegens reagiert, den palästinensischen Staat anzuerkennen. Das Video hat die Bildunterschrift „Die Hamas dankt Ihnen für Ihren Einsatz“.

Der Nahost-Konflikt ist nicht nur ein politisches, sondern auch ein juristisches und vor allem ein moralisches Problem. Das bekommt jeder zu spüren, der Kritik an Israel übt und sich reflexartig dem Verdacht des Antisemitismus ausgesetzt sieht. Wenn er Pech hat wird er im Stile der Polemik des israelischen Außenministers zum Komplizen der Hamas gemacht. Dann heißt es: Man könne die Kriegsführung Israels nicht mit den Verbrechen der Hamas gleichsetzen.

Ich höre schon den Aufschrei, wenn ich sage: doch, juristisch gesehen muss man das sogar! Das Völkerrecht gilt für Terrororganisationen genauso wie für demokratisch gewählte Regierungen. Der Internationale Gerichtshof hat zu recht Haftbefehle für Vertreter der Hamas als auch der israelischen Regierung beantragt und den Stopp der Rafah-Offensive verfügt, sofern sie die „physische Zerstörung“ der palästinensischen Bevölkerung „ganz oder teilweise herbeiführen“ könnte. Er nimmt keine politische Einschätzung vor, sondern eine juristische. Würde er das nicht tun, wäre das Wasser auf die Mühlen derjenigen, die Israel das Existenzrecht absprechen.

Die militärische Verteidigung der staatlichen Souveränität gilt als ein Recht, das Staaten durch die Charta der Vereinten Nationen in Artikel 51 zugebilligt wird. Es ist eine Ausnahme des in Artikel 2 festgelegten Gewaltverbots.

In Artikel 3 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der UN heißt es: »Jeder hat das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person.« Dieses Recht gilt universell und ohne irgendeinen Unterschied, sei es die Hautfarbe, das Geschlecht, die Religion, die politische Anschauung oder die nationale Herkunft.

Es gibt keinen besonderen Bedingungen, die Tötungen, Gewalt oder unterlassene Hilfeleistungen moralisch rechtfertigen könnten, wenn man nicht will, dass sie – im Sinne des Kantschen Imperativs – allgemeines Gesetz werden.

Es gibt für moralisches Verhalten keinen exklusiven Geltungsbereich, der einen Unterschied macht zwischen Situationen und Personen, für die moralisches Handeln Gültigkeit hat und solchen, für die es nicht gilt. Das wäre nichts anderes als Diskriminierung.

Es gibt moralische Dilemmata, die es schwer machen, zwischen unmoralischem und moralischem Verhalten zu unterscheiden. Gerade sie aber zeigen, dass Moral nicht durch bestimmte Bedingungen außer Kraft gesetzt werden kann.

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