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Peter Sinapius

Wo Unrecht zu Recht wird…

„Meine liebe Thea, das Schicksal hat nun über mich entschieden! Heute morgen um 7 Uhr wurde mir durch den Oberstabsrichter mein Todesurteil verlesen. In 2 Stunden ist die Hinrichtung durch Erschießen. Es ist mir noch unfassbar, aber es ist so. … Du brauchst Dich wegen meiner Hinrichtung nicht zu schämen, denn Du weißt wie ich, daß ich kein Verbrecher war, wohl ein Mensch, der eine Überzeugung hatte und nun für diese Überzeugung sterben muß.“

Der Soldat Robert Gauweiler, der das schrieb, wurde 1944 hingerichtet, weil er andere von der Sinnlosigkeit des Krieges überzeugen wollte. Noch 57 Jahre nach dem Krieg galt er wie alle Deserteure und „Wehrkraftzersetzer“ als rechtmäßig verurteilt.

Diese Rechtsauffassung stützte sich auf den Mythos der „sauberen Wehrmacht“. Die A*D will ihn wiederbeleben und schreibt in ihr Programm, die Bundeswehr müsse die „besten Traditionen der deutschen Militärgeschichte“ und „die soldatische Haltung und Tugenden“ hochhalten. Nicht im Programm steht, dass mit diesen „Tugenden“ ein Vernichtungskrieg verbunden war, der im Namen einer Volksgemeinschaft geführt wurde, der jeder Deutsche gehorsam zu dienen hatte.

Die Soldaten, die sich dieser Gemeinschaft verweigerten, landeten vor der Justiz. 15 000 Deserteure wurden hingerichtet. Zum Vergleich: In der US-Armee gab es während des 2. Weltkriegs 1 Todesurteil gegen einen Deserteur, in der britischen Armee kein einziges.

Der Mythos von der „sauberen Wehrmacht“ stützte sich auf die Erzählung über die „Leistungen und Opfer der deutschen Soldaten“, die „Unvergessliches für das deutsche Volk“ geleistet hätten. So hieß es in dem letzten Wehrmachtsbericht am 9.5.1945, mit dem Großadmiral Dönitz das Kriegsende verkündete.

Die Deserteure der Wehrmacht galten dagegen noch bis 2002 als rechtmäßig verurteilt, bis der Bundestag – gegen die Stimmen von CDU/CSU und FDP – die Urteile wegen Fahnenflucht aufhob. Der CDU-Abgeordnete Jürgen Gehb hatte sich im Namen seiner Fraktion gegen die Aufhebung der Urteile gewandt, weil damit, so erklärte er im Bundestag, Fahnenflucht zur „Kardinaltugend“ erhoben werde.

Dagegen hatte der Philosoph Georg Geismann die Grenzen des militärischen Gehorsams da gezogen, wo staatliche Gewaltausübung als Unrecht und Verstoß gegen die Menschheit gewertet werden müsse. Folgerichtig ist inzwischen das Recht auf Kriegsdienstverweigerung durch die Vereinten Nationen als Menschenrecht anerkannt worden.

Wie an vielen anderen Orten gibt es in Hamburg seit 2015 einen „Gedenkort für Deserteure und andere Opfer der NS-Militärjustiz“, den der Künstler Volker Lang entworfen hat. Der transparente Baukörper nimmt Bezüge zu allen Seiten auf. Wer den Raum betritt, wird selbst Teil des Gedenkortes.

Das Denkmal steht einem Kriegsklotz aus der Nazizeit gegenüber, der an den 1. Weltkrieg erinnert — und auf dem Soldaten im Gleichschritt marschieren.

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